Roter Lampion
daß sie ihr Bekenntnis nicht im Auftrag von Lo Sung ablegte. Coopers wahre Tätigkeit war somit aller Voraussicht nach nicht aufgedeckt worden.
Behutsam streichelte er ihr seidiges Haar. »Beruhige dich, es ist alles gut.«
Sie schwankte zwischen Weinen und Lachen. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Nichts«, erwiderte er. »Oder doch«, korrigierte er sich schnell. »Erzähle mir, wie es dazu kam, daß Lo Sung dir den Auftrag geben konnte. Woher kennst du ihn?«
Su-su fuhr sich über die Augen. »Wie mein Freund und ich, so stammt auch Lo Sung aus Nanking. Er wohnte direkt in unserer Nähe, und er war es, der uns das zur Ausreise benötigte Geld schickte. Vorausgegangen war, daß er meinen Freund aufgefordert hatte, ihm nach Hongkong zu folgen, wo sein Onkel, wie er schrieb, der Mitinhaber einer großen Firma sei und sich glänzende Geschäfte abwickeln ließen. Die beiden hatten in Nanking schon eng zusammengearbeitet, obwohl mein Freund fast zehn Jahre jünger als Lo Sung ist und auch sonst gar nicht zu ihm paßt. Er ist ein richtiger Draufgänger.«
»Welche Art Geschäfte machten die beiden drüben?« erkundigte sich Cooper.
Su-su blickte nachdenklich vor sich hin. »Das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Ich glaube aber, daß es sich um Dinge handelte, die im freien Handel nicht erhältlich waren. Ich weiß nur, daß mein Freund mir einmal sagte, Lo Sung sei ein Geschäftsmann, der aus einem Stück Lehm einen Klumpen Gold machen kann, ohne persönlich in Erscheinung zu treten.«
»Und wie ging es weiter?«
»Als wir hier ankamen, war Lo Sung sehr nett zu uns, und es dauerte nur wenige Tage, bis mein Freund für ihn tätig wurde. Er mußte nun häufig nach Macao reisen, einige Male auch nach Kanton. Die Fahrten machten ihn sehr zuversichtlich, denn er erklärte eines Abends: ›Jetzt dauert es nicht mehr lange, dann haben wir es geschafft und werden reiche Leute.‹«
»Über die Art der Geschäfte hat er nicht gesprochen?«
»Nein. Es gehört zur Eigenart der chinesischen Männer, daß sie über geschäftliche Dinge nicht reden. Mein Freund hielt es ebenso, bis er eines Tages strahlend verkündete, daß er nun gut verdiene und in der Repulse Bay eine Wohnung gemietet habe. Er forderte mich auf, nicht mehr Hostess zu spielen, da wir ohnehin bald heiraten würden, doch er erhob keinen Einspruch, als ich ihm bedeutete, weiterhin tätig sein zu wollen, um meine Sprachkenntnisse zu vervollständigen. Oft blieb er Tage und Wochen daheim, um dann plötzlich in irgendeiner Nacht aufzubrechen und für eine Weile verschwunden zu sein. Das komische dabei war, daß er sich, wie ich mit der Zeit feststellte, stets in der Nacht kurz nach elf Uhr auf den Weg machte.«
»Ganz unvorhergesehen?«
»Von einer Minute zur anderen.«
Gordon Cooper strich sich über die Nase. »Wurde er kurz vorher angerufen?«
Su-su verneinte.
»Könnte er irgendein Zeichen bekommen haben?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
Cooper blickte grüblerisch vor sich hin. »Erzähle weiter.«
»Da ist nicht mehr viel zu erzählen«, erwiderte sie und strich ihre Haare zurück. »Im Frühjahr dieses Jahres, es war am fünfzehnten April, verschwand mein Freund wie schon so oft ganz plötzlich kurz nach elf Uhr. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Und du hast keine Nachforschungen angestellt?« fragte Cooper betroffen.
»Nein«, antwortete sie unbefangen. »Lo Sung suchte mich zwei Tage später auf und erzählte mir, mein Freund habe die Dummheit besessen, neben reellen Geschäften, die sie miteinander getätigt hätten, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die zwischen Hongkong und Macao im trüben fischen. Dabei sei er in eine Schießerei verwickelt und von der Polizei erkannt worden. Er könne deshalb nicht nach Hongkong zurückkehren, und er habe ihn über einen Mittelsmann gebeten, ihm sein Guthaben zur Verfügung zu stellen. Das sei geschehen, und mein Freund habe die Kronkolonie Hals über Kopf verlassen, um nach Indonesien auszuwandern. Wenn er dort festen Boden gewonnen habe, werde er mir schreiben und mich kommen lassen. Bis dahin solle ich mich gedulden und mir keine Sorgen machen. Die Miete für die Wohnung sei für ein Jahr im voraus überwiesen.«
Cooper spürte instinktiv, daß Lo Sungs Geschichte erlogen war, und er überlegte angestrengt, was der Chinese mit seiner Erzählung verbergen mochte. Er fand jedoch keine Antwort auf diese Frage, bis sich in seinem Unterbewußtsein plötzlich einige von Su-su
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