Roter Lampion
die ihm vom Secret Service gestellte Aufgabe zu lösen.
Lim Swee Long überquerte die Straße und bog in eine Seitengasse ein, die zur Rua da Felicidada führte. Ohne zu ahnen, in welch verrufene Gegend sie gelangte, trippelte Su-su in gemessenem Abstand hinter ihm her, bis er die Hauptstraße erreichte und ein Lokal aufsuchte, vor dem ein dickbauchiges portugiesisches Weinfaß stand.
Da Cooper sich vorsorglich auf die andere Straßenseite begeben hatte, blieb er stehen und trat an die Auslage eines Geschäftes heran, in dessen Scheibe er Su-su beobachten konnte, die ihre Schritte verlangsamte, schließlich die Straße überquerte und auf ihn zuging.
Sie wird wissen wollen, was sie jetzt tun soll, dachte Cooper, und er täuschte sich nicht.
Su-su näherte sich wie zufällig dem Schaufenster und betrachtete interessiert die ausgestellten Bleistifte, Füllfederhalter, Postkarten und Bücher. Dabei fragte sie, ohne den Kopf zu wenden: »Soll ich in das Lokal gehen?«
»Nein«, antwortete er und setzte sich in Bewegung, um in die Richtung zurückzuschlendern, aus der er gekommen war. »Halte dich in der Nähe auf.«
Keiner von beiden hatte einen Fehler gemacht, das Schicksal aber wollte es, daß ein junger Chinese, der Su-su und Cooper zufällig zuvor auf der Praya Grande am Springbrunnen hatte sitzen sehen, ausgerechnet in dem Augenblick vorbeikam, da Cooper sich von Su-su entfernte.
Die beiden scheinen sich verzankt zu haben, dachte er unwillkürlich und ging auf Su-su zu, die noch immer die Auslage betrachtete. »Darf ich Ihnen die Sehenswürdigkeiten von Macao zeigen?« fragte er ungeniert.
Su-su schrak sichtlich zusammen. »Nein, danke«, antwortete sie hastig. »Ich habe mir schon alles angesehen.«
»Auch das Gedächtnishaus von Doktor Sun Yat-Sen?«
»Ja«, log sie, um den Fremden loszuwerden.
»Und wie steht es mit den Tempelanlagen aus der Ming-Zeit?«
»Die habe ich ebenfalls bereits besucht.«
»Aber die Fabrik für Feuerwerkskörper haben Sie bestimmt noch nicht besichtigt.«
»Nein, und die will ich auch nicht besichtigen!« entgegnete Su-su schärfer, als sie es wollte. »Ich fordere Sie auf, mich nicht zu belästigen!«
Die Augen ihres Landsmannes wurden zu winzigen Schlitzen, er ließ sich aber nicht anmerken, was er dachte, sondern entfernte sich mit einer devoten Verbeugung. An der nächsten Straßenecke blieb er jedoch stehen und schaute zurück, um zu sehen, in welche Richtung seine hübsche Landsmännin gehen mochte. Zu seiner Verwunderung stellte er fest, daß sie sich immer noch in Höhe des Geschäftes aufhielt, vor dem er sie angesprochen hatte. Offensichtlich wartete sie dort auf jemanden. Ob sie hoffte, der ›rote Teufel‹ würde zurückkehren?
Eifersucht und Wut fraßen plötzlich in dem Chinesen. Doch noch während er überlegte, ob er einen zweiten Vorstoß unternehmen sollte, entdeckte er Gordon Cooper, der nicht weit von ihm entfernt langsam auf und ab ging und abwechselnd zu seiner früheren Begleiterin und zum Restaurant ›Maria da Gloria‹ hinüberblickte.
Was mag das zu bedeuten haben, fragte sich der junge Mann und faßte den Entschluß, den Verlauf der Dinge abzuwarten. Vielleicht ermittelte er etwas, das sich auszahlen würde. In Macao hat alles seinen Wert.
Die Geduld des Chinesen wurde auf eine harte Probe gestellt, denn es dauerte über eine Stunde, bis Su-su sich mit einem Male lebhaft in Bewegung setzte. Ein schneller Blick zeigte ihm, daß auch der von ihm beobachtete Europäer Schritt faßte. Folgten die beiden jemandem? Womöglich dem zierlichen Mann, der aus dem Restaurant herausgekommen war? Eine Art Jagdfieber erfaßte ihn, da kein Zweifel darüber bestehen konnte, daß zwischen seiner hübschen Landsmännin und dem ›roten Teufel‹ eine Absprache bestand.
Su-su und Cooper ahnten nicht, daß sie beobachtet wurden, der junge Chinese aber wußte nach dem Passieren einiger Straßen und Gassen, daß er sich nicht getäuscht hatte. Er eilte deshalb sofort hinter seinem kleinen Landsmann her, als dieser in ein wenig ansehnliches Gebäude eintrat.
Während Su-su langsam weiterging und überlegte, ob ihr Auftrag nun wohl zu Ende sei, überquerte Gordon Cooper die Straße und schaute sich im Vorbeigehen einige neben der Haustür angebrachte Firmenschilder an, die ihm jedoch nichts besagten. Er kehrte daher auf die andere Straßenseite zurück, wo er hinter einem Lastwagen Stellung bezog, um das Haus unauffällig im Auge behalten zu können. Doch kaum
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