Rotes Gold: Ein kulinarischer Krimi. Xavier Kieffers zweiter Fall
bürgen.«
»Richtig. Japaner vertrauen letztlich nur Japanern, und er war der Mittelsmann, obwohl er an der eigentlichen Zucht überhaupt nicht beteiligt war. Er sollte später, wenn der Fisch in großem Stil auf den Markt kommt, als Qualitätspate auftreten, in der Werbung oder auf der Verpackung. Von den Details wusste er wenig. Aber er hat natürlich das Endergebnis zu sehen bekommen. Vor einigen Wochen lieferte ich ihm einen kapitalen jungen Bluefin, eines der Prachtexemplare aus unserer Zucht.« Trebarca Silvas Augen leuchteten. »Er wog fast 400 Kilo.«
»Und wieso war der ein Jungtier? Ein Thun dieser Größe muss doch mindestens fünf Jahre alt sein.«
»Eines. Nur ein Jahr. Die japanischen Wissenschaftler haben eine Möglichkeit gefunden, die Fische viel schneller wachsen zu lassen.«
»Frankensteinfische.«
»Unsinn. Wir sollen uns die Erde untertan machen. So steht es schon in der Genesis. Nichts anderes tun wir. Der Fisch ist zudem einwandfrei, er ist sogar besser als Wildthun, weil die Tiere im Käfig mehr Fett ansetzen. Niemand hätte irgendeinen Unterschied bemerkt.«
»Außer einem Sushimeister, der aus einem Stück Thun Sachen herauslesen kann, die andere nicht sehen.«
Der Lusobourges nahm seinen Rosenkranz wieder aus der Tasche. »Ich war in der Tat erstaunt, als Mifune mir sagte, er könne aus der Maserung des Fleisches auf das Alter des Fisches schließen. Er sagte, dass solch Fisch widernatürlich sei und er da nicht mehr mitmachen werde. Wir versündigten uns gegen das Meer, hat er gesagt.«
Der Koch musterte die Maria. Sie trug einen langen Umhang, ihre Hände waren ausgebreitet. Der Bildhauer hatte sie schwebend dargestellt, unter ihren Füßen befanden sich kleine Wölkchen. Kieffer sagte: »Und dann hat er versucht, Sie zu ruinieren. Auf dem Rungis. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich das verstanden habe, Monsieur Silva.«
Tatsächlich war es der Raís gewesen, der ihn darauf gebracht hatte, aber das sagte er nicht. Als sie in Favignana zu Abend gegessen hatten, waren sie danach gegangen, ohne zu bezahlen. Der Wirt hatte nicht gemurrt, denn dass der größte Fischexperte der Insel bei ihm speiste, war Kompensation genug. Wo der Raís aß, da war es sehr gut. Umgekehrt galt natürlich: Mied er ein Restaurant oder einen Händler, rümpfte er gar die Nase, war die Qualität miserabel und auch die anderen Kunden blieben weg. Genauso verhielt es sich natürlich mit Mifune, der Trebarca Silvas Firma auf dem Rungis besucht hatte. Dort, auf dem Carreau, hatte ein einziges Wort ausgereicht, um Pombal Foods zu vernichten, und niemand hatte es gemerkt.
Trebarca Silva sah ihn an. »Es stimmt, Mifune war auf dem Rungis. Die Männer erzählten, er habe etwas über gebratenes Wasser gesagt.«
»Eau sautée. Das war es aber nicht, was er gesagt hat.«
»Sondern?«
»Koosatte.«
Als Kieffer Toro nach dem Namen von Mifunes Restaurant gefragt hatte, dem »Ue no tai«, hatte sein Freund ihm von der Verehrung erzählt, die Japaner dem Tai entgegenbrachten, dem aus ihrer Sicht edelsten aller Fische. Und dass ein beliebtes Sprichwort lautete: »Es mag vergammelt sein, aber es ist immer noch Tai.« Koosatte mo tai. Koosatte. Eau sautée. Die phonetische Ähnlichkeit konnte kein Zufall sein, da war er sich sicher.
»Das ist Japanisch und bedeutet vergammelt. Mifune hat Ihren Thun als vergammelt bezeichnet. Allerdings auf Japanisch, sodass es auf dem Carreau lediglich seine Landsleute mitbekommen haben, die aber die wichtigsten Käufer für Bluefin sind. Um wie viel ist Ihr Geschäft danach eingebrochen?«
»Um über 70 Prozent«, sagte Trebarca Silva leise.
»Und darum haben Sie ihn umgebracht.«
Der Thunbaron schüttelte energisch den Kopf. »Haer Kieffer, das, was Sie mir eben erzählt haben, ist für mich völlig neu. Ich schwöre Ihnen beim Antlitz unserer Lieben Frau, dass ich zuvor nicht wusste, was genau Mifune über meinen Thun gesagt hat.«
»Sie wussten genug, um es zu vermuten. Und es war Ihr Cateringservice, der den vergifteten Fisch geliefert hat. Außerdem konnte nur jemand, der eine sehr exakte Kenntnis der Sushiküche hat, sich eine solch perfide Mordwaffe wie das Tetrodotoxin ausdenken. Dank Ihres Sushigroßhandels kannten Sie sich mit diesen Dingen bestens aus.«
Trebarca Silva wurde unruhig. Seine kleine Hand krallte sich in die rosafarbene Kette des Rosenkranzes. »Prezzemolo war es.«
»Ihr französischer Handlanger?«
»Er ist weder mein Handlanger, noch ist er
Weitere Kostenlose Bücher