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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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hatte Winter mit einem flehenden Blick angesehen.
    Winter war gegangen.
    Er ging zu Jimmys früherem Laden. Der wirkte nun fast antik, als ob viele Jahre zwischen jetzt und damals lägen, nicht nur eine knappe Woche.
    Dort musste der Junge gestanden haben. Winter stellte sich an die Stelle, ging in die Hocke und spähte in den Laden. Ja, das könnte stimmen. Dort ist die Tür und dort die Bank, der Fußboden, das Meer, das rote Meer. Es war immer noch zu sehen, wie eine Ablagerung auf dem Meeresgrund.
    Die mit Kreide gezeichneten Körperumrisse waren noch da, wie ertrunkene Schatten.
    Zuerst hatte der Junge die Mörder hineingehen sehen. Dann hatte er sie herauskommen sehen. Dann war eine weitere Person erschienen. Jemand, der nur dagestanden hatte.

    Im Präsidium war es endlich etwas abgekühlt. Vielleicht ging ein Wind durchs Haus, von dem niemand wusste, oder die Ventilation funktionierte zum ersten Mal, seit dieses Höllengebäude errichtet worden war. Einige Jahre zuvor war der Nachbar Gamla Ullevi umgebaut worden, aber das Bauunternehmen hatte das Präsidium übersehen. Wir hätten alle eine Chance zum Neuanfang gehabt. Vielleicht sogar die Chance, die Stadt zu verlassen und uns angenehmere Gegenden zu suchen.
    Ringmar ging in Winters Büro auf und ab. Sechs Meter vor, sechs Meter zurück.
    »Ich war schon auf dem Weg nach draußen«, sagte er.
    »Ich hab’s mir anders überlegt«, sagte Winter.
    »Es kann kein anderer gewesen sein«, sagte Ringmar.
    »Aber da muss noch jemand sein.«
    »Das verstehe ich wohl. Reinholz wird uns schon alles erzählen, was wir wissen müssen.«
    »Daran glaub ich nicht so recht.«
    »Woran glaubst du nicht, Erik?«
    Winter antwortete nicht. Er stand am Fenster. Am anderen Flussufer sah er eine Straßenbahn. Auf den Straßen waren Leute unterwegs, nicht viele, aber das Zentrum war nicht mehr ganz so verlassen.
    »Und wenn er abhaut? Wenn uns noch einer durch die Lappen geht?«
    »Wenn er abhaut, dann ist die Sache klar«, sagte Winter. »Dann müssen wir die Gegend noch einmal ordentlich durchkämmen. Übrigens hab ich die Dolmetscherzentrale angerufen.«
    »Ich denk, du warst allein bei dem Jungen?«
    »Schon, ich hab sie hinterher auf dem Weg hierher vom Auto aus angerufen.«
    »Weswegen?«
    »Mozaffar Kerim.«
    Ringmar hielt jäh in seiner Wanderung inne und blieb mitten im Raum stehen.
    Winter sah ein junges Pärchen den Rasen überqueren. Das war ein Vergehen.
    »Ich höre«, sagte Ringmar.
    »Mozaffar Kerim hat gedolmetscht, als wir mit Familie Aziz gesprochen haben. Erinnerst du dich, dass er schon auf uns wartete, als wir kamen? Oben auf dem Hammarkulletorget?«
    »Ja.«
    »Er hat sich entschuldigt, dass er zu früh dran war, und dann sind wir zu den Aziz’ gegangen.«
    »Auch daran erinnere ich mich.« Ringmar lächelte.
    »Nun, ich hatte Möllerström gebeten, bei der Dolmetscherzentrale einen Dolmetscher für ein Verhör bei den Aziz’ zu Hause zu bestellen. Das hat er auch getan. Die haben nach ihrem System eine Person ausgewählt, und die bekam den Job in Hammarkullen.«
    »Mozaffar Kerim«, sagte Ringmar.
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Nein. Ich hab darüber nachgegrübelt. Warum ausgerechnet Mozaffar Kerim? Er war zu eifrig, er ist der Familie nahe. Er ist gewissermaßen ständig dabei. Deswegen habe ich überprüft, wer den Auftrag bekommen hat, das halten die fest, und er war es nicht. Es war ein Name, an den ich mich im Augenblick nicht erinnern kann, jedenfalls war es nicht Mozaffar Kerim.«
    »Wie war das denn möglich?«
    »Das weiß ich noch nicht. Wir müssen … fragen, oder? Irgendwie hat er mit der beauftragten Person getauscht, und als wir in Hammarkullen ankamen, war Kerim schon da.«
    »Aber warum?«
    »Er wollte die Kontrolle behalten.«
    »Die Kontrolle über was?«
    Winter antwortete nicht. Das Pärchen hatte inzwischen den Park erreicht. Jetzt näherte sich aus westlicher Richtung eine elegant gekleidete Dame mittleren Alters mit ihrem Hund, den sie mitten auf den Rasen kacken ließ. Dann sah sich die Frau um und zog den Köter mit sich, ohne den Hundekot aufzunehmen. Definitiv ein Vergehen. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er die Alte zurückgepfiffen.
    »Die Kontrolle über was?«, wiederholte Ringmar.
    »Über alles«, sagte Winter.

    Bei Mozaffar Kerim zu Hause meldete sich niemand.
    In der Dolmetscherzentrale war nicht bekannt, wo er war.
    Er saß der Kellnerin zufolge auch nicht in der Pizzeria Souverän. Winter hatte sie schon einmal so

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