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Rotes Meer

Rotes Meer

Titel: Rotes Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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anderen abgefahren waren … kanntest du den?«
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »War es ein Onkel?«
    Der Junge nickte.
    »Ist er in den Laden gegangen, Jimmys Laden?«
    Der Junge antwortete nicht.
    »Stand er an der Tür?«
    Der Junge nickte.
    »Was hat er da gemacht?«
    »Er … stand still«, antwortete der Junge.

38
    W ir waren nicht sehr viele. Wir wollten einander nicht kennenlernen. Es war, als hätte man kein Gesicht mehr, man war es nicht wert, ein Gesicht zu haben. Sein eigenes Gesicht. Verstehen Sie?
    Ob wir geschlagen wurden? Was meinen Sie?
    Kann ich bitte ein Glas Wasser haben?

    Ich glaube nicht, dass er es wusste. Oder verstand. Erst als es zu spät war. Habe ich es verstanden? Ich weiß es nicht, und jetzt ist es sinnlos, darüber nachzudenken. Sinnlos, überhaupt zu denken.
    Das hat nichts mit der Sprache zu tun. Es ist etwas anderes. Es hat mit keinerlei Sprache zu tun. Aber Gewalt ist auch eine Sprache, der Tod und das, was zum Tod führt, ist auch eine Sprache. Wer keine Worte mehr hat, benutzt Gewalt. Das ist die äußerste Sprache, und damit meine ich das, was am weitesten vom Leben entfernt ist, von allem, was richtig ist, was eine Ehre hat.
    Als wir auf der Flucht waren, flohen wir vor der Sprachlosigkeit. Wo wir zu Hause gewesen waren, hatte es nur Gewalt anstelle von Sprache gegeben. Und unsere eigene Sprache hatten wir verloren. Ja, das wissen Sie. Das haben Sie verstanden. Hat er Ihnen das erklärt? Ich durfte ja nicht dabei sein. Hoffentlich hat er es Ihnen erklärt.
    Er hat es nicht geschafft. Er … hat es nicht verhindern können. Ich war damals nichts, ich war nichts wert. Aber er war nicht allein. Das haben Sie auch verstanden. Sie verstehen viel und reimen sich das eine oder andere zusammen, trotzdem verstehen Sie nicht. Hier versteht eigentlich niemand etwas.
    Wie warm ist es draußen? Ich würde gern über eine Blumenwiese gehen. Ich würde gern im Gras liegen und in den Himmel schauen. Das könnte ich jahrelang tun. Sie haben immer gesagt, es ist überall derselbe Himmel, aber das glaube ich nicht, genauso wenig wie ich glaube, dass es dieselbe Sonne ist. Wie sollte sie das sein können? Bald behaupten sie wohl auch noch, dass die Erde rund ist! Ha, ha! Dann würden wir doch nicht darauf gehen können, oder? Wir würden herunterfallen. Und das sind wir. Ich bin abgestürzt, meine Familie ist abgestürzt, unsere Verwandten, wir alle sind gestürzt. Wir sind nie zurückgekehrt. Wie soll man da an etwas glauben?

    Danke, dass ich sprechen darf. Später wird mir niemand mehr zuhören. Aber später will ich auch nicht mehr reden. Gegen eine Wand reden, wie? So sagt man doch. Rede mit der Wand und du wirst sehen, ob du eine Antwort bekommst. Wie mit Ihnen zu reden, anfangs, da war es, als redete ich gegen eine Wand. Sie sehen aus wie eine Wand. Sie sind eine Wand. Alle sind Wände. Es gibt nur Wände.
    Dieses Wasser ist zu warm. Kann ich nicht etwas kälteres Wasser haben?

    Wasser, das aus dem Wasserhahn kommt. Das ist eine meiner ersten Erinnerungen oder Erlebnisse. Es war warmes Wasser, sofort warm! Man brauchte kein Feuer. In diesem Land ist es fast das ganze Jahr über kalt, doch nirgendwo sieht man Feuer brennen. Hier verstehen sie es nicht, ihr versteht nichts. Für uns bedeutet Feuer alles. Bevor die Zerstörer und Mörder kamen, glaubten wir an das Feuer, es war unser Gott. Wir brauchten nur das Feuer. Es sollte das ganze Jahr über brennen, es durfte nie gelöscht werden. Als es gelöscht wurde, gab es keinen Gott mehr.

39
    W inter folgte den Spuren da draußen, der Sandspåret, Skolspåret. Es waren mehr Spuren geworden. Die Kurdenspur. Ha. Sie war in verschiedener Hinsicht eine traurige Erinnerung geworden. Die Geschichte hatte etwas Komisches, oder besser gesagt Tragikomisches, sie machte die gesamte Polizei lächerlich. Und Alan, auch eine tragikomische Figur.
    Aber in diesem Augenblick war ihm nicht nach Lachen zumute. Auf den Spielplätzen rundum hörte er Kinder lachen, die Grasflächen fingen schon an zu verdorren. Es war ein Tag, der zum Lachen verlocken konnte. An solchen Tagen war es leichter zu leben. Ein blaugelber Tag, Himmel und Sonnenschein.
    Der Junge war nach seinen ersten Worten wieder verstummt. Er hatte schockiert ausgesehen, als wäre er selbst überrascht gewesen, dass er sprechen konnte, als wären es die allerersten Worte gewesen, die er sprach. Danach hatte er kein einziges Wort mehr gesagt. Er hatte angefangen zu weinen, und die Mutter

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