Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rotglut - Kriminalroman

Rotglut - Kriminalroman

Titel: Rotglut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
ehemalige Freundin.
    Elvira rieb sich den Kopf, spürte bereits eine Beule an der linken Stirnseite. Etwas benommen richtete sie sich auf. »Wie konntest du nur?«, war alles, was sie sagte.
    »Wie konnte ich nur was? Dir mit einem Aktenordner eine vor den Kopf geben? Was glaubst du denn? Ich dachte, es bricht jemand ein«, ereiferte sich Irene.
    Elvira Theuerholz sah sie mit hasserfüllten Augen an und zischte: »Das meine ich nicht! Wie konntest du meinen Vater entführen! Ich weiß Bescheid.« Die letzten Worte spuckte sie ihrem Gegenüber geradezu ins Gesicht, während ihr die Tränen bereits unablässig über die Wangen liefen.
    Irenes Reaktion ließ keinen Zweifel bei ihr aufkommen, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. In deren Gesicht spiegelten sich in Sekundenschnelle Verstehen, Erschrecken, Schuld. Sie senkte den Kopf und sah zu Boden. Nach all den Jahren war es nun endlich an der Zeit, der Freundin das Unfassbare zu gestehen. Fast so etwas wie Erleichterung machte sich in Irene breit.
    »Es war so, ich weiß nicht …«, begann Irene stockend. »Die ganze Sache ist uns damals aus dem Ruder gelaufen …, es tut mir unendlich leid, Elvira.«
    »Ach, mehr hast du dazu nicht zu sagen? › Es tut mir leid, Elvira !‹ «, fauchte sie. Nein, so leicht wollte sie Irene nicht davonkommen lassen. »Und wen meinst du mit ›uns‹? Sag schon, wer hat mitgemacht? Wer hat meinen Vater umgebracht?«
    Irene stand mit hängenden Schultern da und schwieg. Elvira sprang auf, packte sie am Kragen ihrer Bluse und schüttelte sie. »Wer? Sag mir, verdammt noch einmal, wer das gewesen ist?« Elvira ließ Irene los und fiel kraftlos und von Weinkrämpfen geschüttelt zurück auf den Stuhl.
    »Knut und Hajo«, flüsterte Irene und begann ebenfalls zu weinen.
    Fassungslos sah Elvira Theuerholz zu ihr hoch. »Knut Harmsen? Hajo Teschen? Das ist nicht dein Ernst! Ihr seid doch alle noch bei Vaters Geburtstagsfeier gewesen! Warum habt ihr das getan? Mein Vater hat niemandem irgendetwas zuleide getan.« Ihre Stimme war jetzt nur noch ein fassungsloses Flüstern.
    Irene wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Dein Vater war ein Kapitalist erster Güte. Wir wollten doch nur, dass das Geld gerecht verteilt wird. Wollten den Chilenen helfen. Dann ist alles schiefgegangen. Dein Vater hat mich erkannt. An der Stimme. Und Hajo hat durchgedreht.«
    Elvira Theuerholz schwieg erschüttert. Mühsam rang sie nach Worten. »Willst du damit sagen, dass Hajo meinen Vater erschossen hat?«
    Irene nickte. »Und Knut hat er nun auch erschossen. Es sollte wie ein Selbstmord aussehen. Knut wollte nach Venezuela abhauen. Neu anfangen, nachdem dieser Stegmann uns erpresst hat. Auf einmal taucht der nach so vielen Jahren wieder auf. Er ist an allem schuld! Er hat uns damals um das Lösegeld betrogen.«
    »Jetzt mal schön der Reihe nach. Ich verstehe nur die Hälfte von all dem, was du mir da erzählst«, forderte Elvira nun mit einer Ruhe in der Stimme, die Irene ebenso viel Angst einflößte wie der Ausbruch davor. Elvira hatte die Augen geschlossen, saß mit einem bis zum Bersten angespannten Körper auf dem Stuhl. Sie spürte weder den pochenden Schmerz in ihrem Kopf noch schmeckte sie den salzigen Geschmack ihrer Tränen im Mund.
    Stockend erzählte Irene, was sich damals alles zugetragen hatte und dass Stegmann nach Jahrzehnten wieder auf der Bildfläche erschienen war. Elvira hörte mit wachsendem Entsetzen zu. Mit zittrigen Beinen war sie aufgestanden, hatte das Gesicht zur Wand gedreht, sie konnte Irenes Anblick nicht mehr ertragen.
    »Und jetzt hat Hajo auch Knut umgebracht, und ich fürchte …«
    Weiter kam sie nicht.

9. Dezember 1974, Bremen
    »Na, Saskia, mein Mäuslein, schmeckt dir dein Leberwurstbrot?«
    Raimund Stegmann hat seiner kleinen Tochter das Brot in kleine Würfel geschnitten, die sie sich alle nacheinander in den Mund steckt, ohne auch nur eines davon zu kauen und herunterzuschlucken. Bald sind ihre Backen dick gefüllt. Sie sieht aus wie ein Hamster.
    Hannelore kommt in die kleine Küche, den Weser-Kurier unter dem Arm, den sie neben Raimund auf den Tisch fallen lässt.
    »Raimund, du sollst das Kind nicht mit der fetten Wurst vollstopfen und dann immer noch Butter drunterstreichen. Bah, das ist ungesund, das fette Zeug. Saskia, die Mama macht dir ein feines Honigbrot. Warte, mein Spätzchen.«
    Saskia verschluckt sich an dem Honigbrot, spuckt die mittlerweile zerkauten Brotstückchen zum Teil auf ihren Kinderteller.

Weitere Kostenlose Bücher