Rotglut - Kriminalroman
Stegmann von Stock entlassen worden. Er kann es manchmal heute noch nicht fassen, dass der Verfassungsschutz ihn angeheuert hat.
Seit diesem Gespräch ist nun mehr als ein Jahr vergangen. Stegmann hat schon gehofft – wie lächerlich naiv von ihm –, dass man ihn vergessen würde. Nachdem allerdings eine erste ›Gehaltszahlung‹ in Höhe von 4.000 DM auf seinem Konto eingegangen ist (›Hannelore, das ist ein Bonus von Ronni‹), hat er eingesehen, dass er sich mit Leuten eingelassen hat, die man nicht so einfach loswerden kann.
Enno ist ihm mehr oder weniger zufällig in dieser Zeit über den Weg gelaufen. Einmal auf dem Markt, als Hannelore ihn zum Gemüse kaufen geschickt hat, ein anderes Mal, wie passend, im Foyer des Karstadt, wo die Bombe hätte hochgehen sollen. Die Versuche Ennos, ihn zu einem Bierchen zu überreden, hat er an sich abprallen lassen. Soll Enno sich doch über sein sonderbares Benehmen wundern.
›Enno, ich hab wirklich keine Zeit, ich muss nach Hause, zu Hannelore und der Kleinen.‹
Enno ist zuerst sprachlos, dann beleidigt gewesen.
›Was bist du denn für ein Pantoffelheld geworden? Erst den großen Revoluzzer mimen, dann beim Frauchen unterm Schlappen stehen oder was? Willst du gar nicht erfahren, was ich in Berlin so treibe? Ich bin da an einer ganz großen Sache dran.‹
Stegmann ist es egal. Eigentlich will er von dem ganzen Scheiß nichts mehr wissen, seitdem er bei Gericht mit einem blauen Auge davongekommen ist – ein Querschläger muss den jungen Polizisten getroffen haben, so tatsächlich die Aussage des Gerichtsmediziners. Die Staatsanwaltschaft hat ermittelt und gegen ihn auch Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben, aber die Aussagen von Ronni – ›Stegmann ist unser bester Mann, für den lege ich meine Hand ins Feuer‹ – und des Gerichtsmediziners sowie seines Kollegen Bothe – ›Er hat ganz klar nicht direkt gezielt‹ – haben zu einem Freispruch geführt. Und der Zeuge, dieser Gerd Weidner, hat plötzlich seine Zeugenaussage widerrufen und behauptet, vielleicht hätte er sich ja doch getäuscht.
Stegmann ist erstaunt gewesen, wie problemlos sich die ganze Geschichte für ihn entwickelt hat.
Ansonsten hat er sich regelmäßig in der ›Roten Ameise‹ eingefunden, Leute beobachtet, belauscht, eher halbherzig, als tatsächlich etwas aus der Szene zu erfahren. Einmal glaubte er, dass der Name seines Freundes Enno in Verbindung mit einem geplanten Banküberfall auf eine Volksbankfiliale in Berlin gefallen ist. Aber da muss er sich verhört haben. Als er mit gespieltem Desinteresse – seine schauspielerischen Fähigkeiten sind erbärmlich – den Platz wechselte, um mehr zu erfahren, drehte sich das Gespräch plötzlich um etwas ganz anderes, oder besser gesagt, um nichts.
Ein, zwei Wochen später fand dann tatsächlich ein bewaffneter Bankraub in Berlin statt, aber Ennos Name tauchte nicht auf. Es sind überhaupt keine Namen gefallen, obwohl die Verbindung zur Baader-Meinhof-Gruppe laut Polizeiangaben als gesichert gilt. Einer der Täter, der einen Bankkunden angeschossen haben soll, ist von den Einsatzkräften geschnappt worden. Über seine Identität wird bisher Stillschweigen gewahrt.
Stegmann hat Stock Informationen über den Bankraub, dessen Planung er glaubte, belauscht zu haben, zukommen lassen. Drei Tage danach sind seinem Konto 12.000 DM gutgeschrieben worden. Hannelore hat erst gar nicht nachgefragt.
Monate später ist der Anruf gekommen. Silke Weingarten legt ihm am Morgen einen Zettel hin.
»Ein Herr Stock hat angerufen. Er hat schon mal was mit uns zu tun gehabt, hätte sich aber nicht entschließen können, welches Sicherheitspaket er nehmen will. Nun sei in der Nachbarschaft mehrfach eingebrochen worden, und er will dich doch noch einmal zu einem Beratungsgespräch haben. Die Adresse würdest du kennen.«
Jetzt sitzt er im Büro in der Knochenhauerstraße, und es hat sich nichts verändert. Sogar der Kalender zeigt noch dasselbe kuhäugige Blatt, vielleicht eine Spur verblasster.
Stock kommt gleich zur Sache.
»Sie haben sicherlich von der Rosenberg-Entführung gehört. Der Mann ist seit ein paar Tagen verschwunden. Vorgestern ging eine Lösegeldforderung bei der Familie ein.«
Er legt eine Pause ein, doch Stegmann reagiert nicht. Abwartend hockt er auf der Kante des Besucherstuhls.
»Die Entführer verlangen 250.000 DM, sonst hat Rosenbergs letzte Stunde geschlagen.«
»Ein nettes Sümmchen.« Stegmann versucht,
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