Rotglut
hier seinen Müll vergraben haben.
Verärgert schüttelt er den Kopf. Auf der anderen Seite, wer macht sich die Mühe, seinen Hausmüll bis hierher zu schleppen, um ihn dann zu vergraben? Warneke, ganz Finanzbeamter, schießt ein neuer Gedanke durch den Kopf: Hier hat jemand Geld vergraben, sicher geschützt in einer Plastikhülle. Er fühlt sich schon wie ein Schatzgräber. Die Eisenspitze seines Stocks stößt auf etwas Weiches, Nachgiebiges. Das Metall hat sich durch die Folie gebohrt, und nun versucht Warneke, das Loch zu vergrößern. Darunter glaubt er, eine Art Lappen zu erspähen. Er bückt sich, gräbt Seite an Seite mit Wurzel die Erde von der Folie, reißt sie ein Stück weiter auf und erstarrt.
»Wurzel, weg da!« Er zerrt den Hund am Halsband von der Grube fort. Warneke war im Zweiten Weltkrieg vor Stalingrad gewesen, hat genug Tote gesehen. Er weiß, dass dort eine Leiche liegt, auch wenn er nur einen Teil freigegraben hat. Verwesungsgeruch steigt ihm in die Nase, Übelkeit macht sich bemerkbar, und er zieht seinen Schal über die Nase. Viel bringt das auch nicht. Immer noch starrt er auf seinen Fund. Die Leiche ist teilskelettiert, das, was an Gewebe noch übrig ist, gleicht einer suppigen Masse.
Warneke schüttelt sich, leint den Hund an, zieht ihn unter dessen protestierendem Gekläff zurück auf den Weg. Hoffentlich kann er sich merken, wo er ins Unterholz abgebogen ist. Er zählt: 20 Schritte vor der Stelle, an der Wurzel in den dichten Wald verschwand, ist ihm ein riesiger Ameisenhaufen aufgefallen, um den herum, zum Schutz des Hügels, aus Brettern ein kleiner Zaun gebaut war. Er rennt mit dem Hund in Richtung Parkplatz. So schnell wie möglich muss er die Polizei benachrichtigen. Ein Unimog kommt ihm holpernd entgegen. Warneke wedelt mit dem Stock durch die Luft, um den Fahrer zu stoppen.
»Anhalten, anhalten! Sie müssen mir helfen.« Atemlos berichtet er den beiden Forstarbeitern, die – so ein glücklicher Zufall – auf dem Weg zum Holzlager sind, von seinem Fund. Ungläubig starren sie ihn an, als er berichtet, was er gefunden hat, und wollen sofort den Fundort in Augenschein nehmen.
Warneke, seit 1969 von Rosi gezwungen, Erik Ode als Kommissar Keller im Fernsehen zu bewundern, weiß, dass der Fundort einer Leiche, denn dass da eine Leiche liegt, ›das ist mal sicher, meine Herren‹, für die Spurensicherung so unberührt wie möglich sein muss. Es reicht schon gerade, dass Wurzel und er dort bereits ein großes Durcheinander angerichtet haben. Endlich hat er die beiden so weit. Sie drehen mit ihrem Unimog ab, werden vom Forsthaus aus die Polizei benachrichtigen. Warneke nutzt die Zeit, mit seinem Spürhund seinen Lodenhut zu suchen, nachdem er endlich bemerkt hat, dass er nicht mehr auf seinem Kopf sitzt.
Es dauert fast 45 Minuten, bis die Polizei erscheint. Warneke stampft mit den Füßen, denn trotz der gefütterten Schuhe sind seine Füße nun eiskalt. Wenigstens hat er seinen Hut gefunden. Wurzel zerrt an der Leine, will weiter, möchte nach Hause zu seinem Fressnapf.
Endlich, mit Blaulicht, jedoch ohne Martinshorn, nähern sich zwei Polizeifahrzeuge auf dem Waldweg, voran der Unimog der beiden Waldarbeiter.
Der Fahrer des vorderen Polizeiautos trägt Uniform, sein Beifahrer ist in Zivil. Ein junger Mann in dunklem Dufflecoat. Insgesamt steigen vier Männer aus.
»Joachim Warneke mein Name.« Der Alte hält dem Mann in Zivil die Hand hin, die sich wie ein Eisklumpen anfühlt. »Ich, das heißt, Wurzel hat etwas Merkwürdiges im Wald entdeckt. Verscharrt. In einer Plastikfolie. Ich befürchte, es ist ein toter Mensch. Nein, das stimmt nicht, ich bin sicher, dass da eine Leiche liegt.« Es sprudelt nur so aus ihm heraus.
»Ebenfalls angenehm, Keller, Kommissar Keller.« Warneke muss sich ein Lachen verbeißen, jetzt heißt der Mensch doch tatsächlich so wie der Kommissar im Fernsehen. Rosi hätte das auch gefallen. Aber lachen ist nun gar nicht angebracht angesichts der Umstände.
»Nun zeigen Sie uns mal, wo Sie eine Leiche gefunden haben«, fährt Keller fort. »Der Hund kann mit, und Sie beide bleiben da«, sagt er mit einem Kopfnicken in Richtung der Forstarbeiter, die, bereits mit Spaten bewaffnet, dem Polizeitross folgen wollen.
Warneke ist beeindruckt. Der junge Mann macht nicht viele Worte. Mit grimmiger Miene stapft Keller neben dem Alten und seinem Hund durch das Gehölz, die anderen Polizisten im Schlepptau, zwei davon in Schutzanzügen, beide von der
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