Rotkäppchens Rache
keiner darüber sprach. Jeden Tag verwelkte sie ein bisschen mehr.
Danielle blinzelte die Tränen weg und drehte sich zu Trittibar um. Sie legte die Hand vor den Mund, als sie der Ungeheuerlichkeit der Garderobe des Elfen gewahr wurde: Enorme blaue Federn entsprangen seiner Mütze; sein Wams war in dem selben Blauton gefärbt, die Innenseiten seiner Schlitzärmel jedoch mit roter Seide ausgeschlagen; seine Hose war grün wie eine Kiefer im Frühling, besetzt mit weißer Borte; abgetragene Ledersandalen gaben den Blicken blau lackierte Zehennägel preis; und die Krönung des Ganzen war ein Regenbogen aus Glasperlen, der in seinen weißen Bart geflochten war.
»Das ist ja furchtbar«, sagte Danielle lachend, »selbst für Euch!«
Trittibar schaute an sich herunter. »Die Zehennägel sind zu viel, nicht wahr?«
»Kann Euer Volk Farben überhaupt sehen?«, fragte Danielle.
»Besser als Eures, in den meisten Fällen.« Er strich sich über den Bart und klimperte mit den Perlen. »Weshalb ihr Menschen darauf besteht, Euch so langweilig zu kleiden, werde ich nie begreifen.«
Er breitete die Arme aus, um Danielle zu umarmen. Der Elf hatte einen angenehmen, erdigen Geruch. Als er sich zurückzog, schlug er einen formelleren Ton an. »Im Namen meines Herrn und meiner Herrin danke ich Euch.«
»Ich danke Euch«, entgegnete Danielle. »Schließlich wart Ihr es, der das Gerücht über unsere finanziellen Engpässe verbreitet und dafür gesorgt hat, dass Rumpelstilzchen von Prinz Jakob erfährt.«
Talia rümpfte die Nase. »Wenn Euer Herr und Eure Herrin wirklich helfen wollten, wieso haben sie den Dreckskerl dann nicht selbst zur Strecke gebracht? Wie viele Jahre hat er dieses schmutzige Geschäft schon betrieben? Wie viele Kinder hätte er noch geraubt, wenn Beatrice und Danielle ihm nicht diese Falle gestellt hätten?«
»Eine Falle, die ohne unsere Unterstützung nicht funktioniert hätte«, betonte Trittibar.
»Welche Unterstützung?«, wollte Talia wissen. »Ich habe Euch dort letzte Nacht nicht gesehen!«
»Rumpelstilzchen ist nicht aus Elfstadt. Es liegt weder in unserem Verantwortungsbereich noch in unserer Befugnis, diese -«
»Hört auf damit!«, sagte Beatrice freundlich. Sie ging zu Talia hinüber, schloss sie in die Arme und setzte damit der Debatte ein Ende. »Du weißt so gut wie ich, dass Rumpelstilzchen die Gegenwart eines anderen Elfen unter Umständen gespürt hätte. Botschafter Trittibars Anwesenheit hätte dadurch all unsere Bemühungen zunichtemachen können.«
Talia brummte, ließ die Sache aber auf sich beruhen.
Obwohl Beatrice versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, entschlüpfte ihren Lippen ein Laut des Schmerzes, als sie sich wieder auf der Bank niederließ. »Rumpelstilzchen und sein Partner sind auf dem Weg zum Hafen. Lyskar schickt eine Eskorte für Hevanna.«
»Was ist mit Lang?«, fragte Danielle. »Hat Schnee überhaupt seinen richtigen Namen herausbekommen?«
Beatrice senkte den Kopf. »Lang Miller war sein richtiger Name. Er stand unter keinem Zauberbann. Er half Rumpelstilzchen aus freiem Willen.«
»Lang ist seinen Eltern geraubt worden!«, protestierte Danielle. »Wie konnte er bloß andere Kinder entführen und -«
»Lang wurde als Baby gestohlen«, sagte Beatrice. »Rumpelstilzchen war die einzige Familie, die er jemals kannte.«
»Dennoch hatte er eine Wahl!«, brauste Talia auf. »Seht euch doch Schnee an: aufgezogen von einer Frau, die so böse war, dass sie einen Mann anheuerte, der ihrer eigenen Tochter das Herz herausschneiden sollte! Schnee ist trotzdem annehmbar geraten … mehr oder weniger.«
»Unterschätzt nicht die Magie der Elfen«, sagte Beatrice, während ihr Blick in die Ferne wanderte, »sie kann selbst die Tugendhaftesten in Versuchung führen.«
Trittibar räusperte sich. »Aus diesem Grund wäre es vielleicht am besten, wenn Rumpelstilzchen meinem Volk übergeben würde. Ich hatte Eurer Königin vorhin schon erzählt, dass er ein Schandfleck auf unserer Ehre ist, und ich kann Euch mein Wort geben, dass er nie wieder einem Sterblichen Ärger machen würde.«
Beatrice schüttelte den Kopf, doch lächelte sie. »Und ich hatte Trittibar erzählt, dass, wenn Elfstadt Rumpelstilzchen für sich selbst will, sie mit Lyskar verhandeln müssen.« Sie wandte sich wieder an Danielle. »Bist du sicher, dass du alle Kinder wiederbekommen hast? Keinem ist etwas geschehen?«
»Er hat uns sein Wort gegeben.« Danielles Fäuste gruben sich in die Falten ihres
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