Rotkehlchen
hochzukrempeln, so dass sowohl der Richter als auch die anderen Anklagevertreter die tätowierten Spinnweben an beiden Ellenbogen und die Hakenkreuze am linken Unterarm erkennen konnten. Der rechte Unterarm war mit einer Reihe altnordischer Symbole verziert, darüber stand in schwarzengotischen Buchstaben VALKYRIA. Valkyria war der Name einer Gruppierung, die zu dem neonazistischen Milieu der Gegend um Nordstrand gehört hatte. Doch was Johan Krohn am meisten ärgerte, war die Tatsache, dass irgendetwas schief lief, irgendetwas an dem ganzen Prozess, er wusste nur nicht genau, was.
Der Staatsanwalt, ein kleiner Mann namens Herman Groth, bog das Mikrofon mit seinem kleinen Finger, an dem ein Ring mit dem Symbol der Anwaltsinnung steckte, zu sich herüber.
»Nur noch ein paar abschließende Fragen, Herr Richter.« Seine Stimme klang weich und gedämpft. Die Lampe unter dem Mikrofon leuchtete grün.
»Als Sie am 3. Januar gegen einundzwanzig Uhr Dennis Kebab in der Dronningsgate betraten, geschah dies also mit der klaren Absicht, Ihre Pflicht zur Verteidigung unserer Rasse, von der Sie gesprochen haben, zu erfüllen?«
Johan Krohn warf sich auf das Mikrofon:
»Mein Klient hat doch bereits gesagt, dass es zu einem Streit zwischen ihm und dem vietnamesischen Besitzer gekommen ist.« Rotes Licht. »Er wurde provoziert«, fügte Krohn hinzu. »Es gibt nicht den geringsten Grund, vorsätzliches Handeln anzunehmen.«
Groth schloss seine Augen halb.
»Wenn das stimmt, was Ihr Verteidiger sagt, Olsen, trugen Sie also ganz zufällig einen Baseballschläger mit sich?«
»Zur Selbstverteidigung«, unterbrach ihn Krohn und breitete resignierend die Arme aus:
»Herr Richter, diese Fragen hat mein Mandant doch alle bereits beantwortet.«
Der Richter rieb sich das Kinn, während er den Verteidiger betrachtete. Alle wussten, dass Johan Krohn jr. einer der emporstrebenden Topverteidiger war, und wohl gerade deshalb stimmte ihm der Richter nur widerwillig zu:
»Ich teile die Meinung des Verteidigers. Wenn die Staatsanwaltschaft keine neuen Aspekte vorbringen kann, möchte ich darum bitten, zu einem Ende zu kommen.«
Groth öffnete seine Augen wieder, so dass ein schmaler weißer Streifen oberhalb und unterhalb der Iris zu erkennen war. Er nickte. Dann hob er mit einer müden Bewegung eine Zeitung hoch.
»Das hier ist die Ausgabe des Dagbladet vom 25. Januar. In einemInterview auf Seite acht sagt einer der Gesinnungsgenossen des Angeklagten …«
»Einspruch …«, fuhr Krohn dazwischen.
Groth seufzte. »Ich nehme meine Äußerung zurück. Lassen Sie mich also von einer männlichen Person sprechen, die rassistisches Gedankengut zum Ausdruck bringt.«
Der Richter nickte, warf Krohn aber gleichzeitig einen warnenden Blick zu. Groth fuhr fort:
»Dieser Mann sagt in einem Kommentar zu dem Überfall auf Dennis Kebab, wir brauchten noch mehr Rassisten vom Schlage eines Sverre Olsen, um Norwegen zurückzugewinnen. Im Interview wird das Wort Rassist wie eine Ehrenbezeichnung verwendet. Halten Sie sich selbst für einen Rassisten?«
»Ja, ich bin Rassist«, bekannte Olsen, ehe Krohn ihn unterbrechen konnte. »In dem Verständnis, das ich von diesem Wort habe.«
»Und das wäre?«, fragte Groth lächelnd.
Krohn ballte die Fäuste unter dem Tisch und sah zu dem Richter und den beiden Anklagevertretern auf dem Podium hinauf. Diese drei sollten über die Zukunft seines Klienten entscheiden und über den Status, den er selbst während der nächsten Monate im Tostrupkeller innehaben würde. Zwei gewöhnliche Vertreter des Volkes mit dessen gewöhnlichem Rechtsempfinden. »Laienrichter« hatten sie sie früher genannt, doch vielleicht hatten sie herausgefunden, dass das zu sehr nach Inkompetenz klang. Der Schöffe zur Rechten des Richters war ein junger Mann in einem billigen Anzug, der kaum aufzublicken wagte. Die junge, etwas fällige Frau auf der anderen Seite des Richters schien nur so zu tun, als wäre sie bei der Sache, während sie den Kopf in den Nacken legte, damit ihr beginnendes Doppelkinn vom Saal aus nicht zu sehen war. Durchschnittliche Norweger. Was wussten diese über Menschen wie Sverre Olsen? Was wollten sie wissen?
Acht Zeugen hatten gesehen, wie Sverre Olsen mit einem Baseballschläger unter dem Arm den Kebabstand betreten hatte und damit nach ein paar kurzen Schimpfworten auf den Kopf des Inhabers Ho Dai, eines vierzigjährigen Vietnamesen, eingeschlagen hatte, der 1978 als einer der Boat People nach Norwegen
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