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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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sich in Jamben bewegt, behalten, weil ich an einem Sonntage von meinem Bett aus diese Hymne hörte, welche nach einem Ritus des Domes von Annecy während des Advents vor Tagesanbruch auf der Treppe dieser Kirche gesungen wird. Jungfer Merceret, Mama's Kammermädchen, verstand etwas Musik. Nie werde ich eine kleine Motette »Afferte« vergessen, welche mich Herr Le Maître mit ihr singen ließ, und die ihre Herrin mit so großer Freude anhörte. Kurz alles bis auf die gute Magd Perrine, die ein so braves Mädchen war und von den Chorknaben so sehr gehänselt ward, alles taucht in der Erinnerung aus dieser Zeit des Glückes und der Unschuld oft wieder in mir auf, um mich zu entzücken und traurig zu stimmen.
    Ohne den geringsten Vorwurf lebte ich seit beinahe einem Jahre in Annecy; alle Welt war mit mir zufrieden. Seit meiner Abreise von Turin hatte ich keine Dummheit begangen und ich beging auch keine, so lange ich mich unter Mama's Augen befand. Sie leitete mich und leitete mich stets gut; meine Liebe zu ihr war meine einzige Leidenschaft geworden, und als Beweis dafür, daß es keine thörichte Leidenschaft war, muß ich darauf hinweisen, daß mein Herz meine Vernunft bildete. Allerdings setzte mich mein einziges, alle meine Fähigkeiten gleichsam verzehrendes Gefühl außer Stand, etwas zu lernen, nicht einmal die Musik, obgleich ich mir alle mögliche Mühe gab. Allein ich trug die Schuld nicht. Der gute Wille war durchaus vorhanden und ebenso der Fleiß. Ich war zerstreut, träumerisch und seufzte oft; was konnte ich dagegen thun? Zu meinen Fortschritten fehlte nichts, was auf mir persönlich beruhte; aber um neue Thorheiten zu begehen, bedurfte es nur einer Persönlichkeit, die mich dazu antrieb. Diese Persönlichkeit erschien auf dem Schauplatze; der Zufall übernahm das Weitere, und wie man in der Folge sehen wird, ließ sich mein anschlägiger Kopf die schöne Gelegenheit nicht entgehen.
    An einem sehr kalten Februarabende, als wir sämmtlich um das Feuer saßen, hörten wir an die Hausthüre klopfen. Perrine nimmt ihre Laterne, geht hinab und öffnet; ein junger Herr tritt ein, kommt mit ihr herauf, stellt sich in ungezwungener Weise vor und sagt Herrn Le Maître eine kurze und gut gesetzte Artigkeit, wobei er sich für einen französischen Musiker ausgiebt, den der schlechte Zustand seiner Geldverhältnisse zwinge, sich um eine Stelle bei der Kirchenmusik zu bewerben, um sich redlich durchzuschlagen. Bei dem Worte »französischer Musiker« hüpfte dem guten Le Maître das Herz vor Freuden. Er liebte sein Vaterland und seine Kunst leidenschaftlich. Er versprach dem jungen Reisenden ein Unterkommen bei sich und bot ihm Obdach an, das er sehr nöthig zu haben schien und deshalb ohne viele Umstände annahm. Ich betrachtete ihn mir, während er sich wärmte und, bis das Abendessen aufgetragen wurde, unaufhörlich schwatzte. Er war von gedrungenem Wuchse und eigenthümlicher Mißgestalt, ohne jedoch in erkennbarer Weise verunstaltet zu sein; er war so zu sagen ein Buckliger mit geraden Schultern, allein ich glaube, daß er ein wenig hinkte. Er trug ein schwarzes, mehr abgenutztes als altes Gewand, das vielfach zerrissen war; ein sehr feines und äußerst schmutziges Hemde mit schönen Manschetten von Fransen; ferner Gamaschen, deren jede seine beiden Füße hätte aufnehmen können, und zum Schutze gegen den Schnee einen kleinen, unter dem Arm zu tragenden Hut. In dieser drolligen Ausstattung lag trotzdem etwas Vornehmes, mit dem seine Haltung nicht in Widerspruch stand; seine Gesichtszüge hatten etwas Feines und Angenehmes; er sprach leicht und gut, aber ohne sich viel um die Regeln des Anstandes zu kümmern. Alles an ihm verrieth einen jungen Wüstling, der Erziehung gehabt hatte und sich nicht als Bettler, sondern als Narr auf den Bettel legte. Er erzählte, er hieße Venture von Villeneuve, käme von Paris, hätte sich auf dem Wege verirrt, und als er einen Augenblick seine Rolle als Musiker vergaß, fügte er hinzu, er wäre auf dem Wege nach Grenoble, um einen Verwandten, der dem dortigen Parlamente angehörte, zu besuchen.
    Während des Abendessens drehte sich das Gespräch um Musik, und er sprach gut darüber. Er kannte alle großen Virtuosen, alle berühmte Werke, alle Schauspieler, alle Schauspielerinnen, alle hübsche Frauen, alle große Herren. Mit allem, worauf im Laufe des Gesprächs die Rede kam, schien er genau bekannt zu sein; aber kaum war ein Gegenstand berührt, als er die weitere

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