Rousseau's Bekenntnisse
Hinblick auf Gâtier und Gaime machte ich aus diesen beiden würdigen Priestern das Original des Savoyischen Vikars. Ich schmeichle mir, daß die Nachahmung ihren Urbildern nicht zur Unehre gereicht hat.
Während ich im Seminar war, wurde Herr von Aubonne gezwungen, Annecy zu verlassen. Der Herr Intendant unterstand sich es übel zu nehmen, daß sich derselbe um die Gunst seiner Frau bewarb. Das hieß es machen wie der Hund des Gärtners, denn obgleich Frau Correzi liebenswürdig war, lebte er doch sehr schlecht mit ihr; ultramontane Anwandlungen machten sie ihm unnütz, und er behandelte sie so roh, daß bereits von Scheidung die Rede war. Herr Correzi war ein tief gesunkener Mensch, schwarz wie ein Maulwurf, diebisch wie ein Rabe, und mußte schließlich wegen vielfacher Überschreitungen seines Amtes weggejagt werden. Die Provencalen sollen sich durch Lieder an ihren Feinden rächen; Herr von Aubonne rächte sich an dem seinigen durch ein Lustspiel; er schickte dieses Stück der Frau von Warens, welche es mir zeigte. Es gefiel mir und rief in mir den Wunsch hervor, ebenfalls eins zu verfassen, um mich zu überzeugen, ob ich wirklich so dumm wäre, wie mich der Dichter desselben ausgeschrien hatte; aber erst in Chambéry führte ich dieses Vorhaben aus, indem ich den Liebhaber seiner selbst schrieb. Wenn ich mich in der Vorrede zu diesem Stücke für achtzehnjährig ausgegeben, so habe ich also um einige Jahre gelogen.
Ungefähr in diese Zeit fällt ein an sich zwar nicht sehr bedeutendes Ereignis, welches jedoch für mich Folgen gehabt und, als ich es bereits vergessen, in der Welt Aufsehen gemacht hat. Jede Woche hatte ich einmal die Erlaubnis auszugehen; ich habe nicht erst nöthig zu sagen, welchen Gebrauch ich davon machte. An einem Sonntage, als ich gerade bei Mama war, brach in einem Gebäude der Franziskaner, welches an ihr Haus stieß, Feuer aus. Dieses Gebäude, in welchem der Backofen stand, war bis oben an mit trocknem Reisig angefüllt. In wenigen Augenblicken brannte alles lichterloh; Mama's Haus schwebte in großer Gefahr und die Flammen, die der Wind darauf zutrieb, schlugen schon an ihm empor. Man begann es in aller Eile auszuräumen und die Möbel in den Garten hinabzutragen, der, wie bereits erwähnt, meinem früheren Fenster gegenüber jenseits des Baches lag. Ich war so bestürzt, daß ich alles, was mir in die Hände fiel, ohne Unterschied zum Fenster hinauswarf, sogar einen großen steinernen Mörser, den ich zu jeder andern Zeit Mühe gehabt hätte aufzuheben. Ich stand im Begriff, in gleicher Weise einen großen Spiegel hinauszuwerfen, wenn mich nicht jemand zurückgehalten hätte. Der gute Bischof, der an diesem Tage der Mama einen Besuch abstattete, blieb ebenfalls nicht unthätig. Er führte sie in den Garten, wo er mit ihr und allen, die zugegen waren, zu beten begann, so daß ich, als ich etwas später dorthin kam, alle auf den Knien sah und deshalb neben den andern niederkniete. Während des Gebetes des heiligen Mannes schlug der Wind um, aber so plötzlich und so rechtzeitig, daß die Flammen, welche an dem Hause emporzüngelten und schon zu den Fenstern hineinschlugen, nach der andern Seite des Hofes getrieben wurden und das Haus unbeschädigt blieb. Zwei Jahre darauf fingen nach dem Tode des Herrn von Bernex seine früheren Ordensbrüder, die Antoriner an, Urkunden zu sammeln, welche zu seiner Seligsprechung dienen konnten. Auf die Bitte des Pater Boudet fügte ich diesen Urkunden eine Bescheinigung des eben mitgetheilten Vorfalls bei, woran ich ganz gut that; woran ich aber Unrecht that, das war, daß ich diese Thatsache für ein Wunder ausgab. Ich hatte den Bischof im Gebete gesehen und wahrgenommen, daß der Wind während seines Gebetes eine andere Richtung annahm, und zwar sehr zur rechten Zeit; das konnte ich sagen und bezeugen; daß jedoch eines von beiden die Ursache des andern war, das durfte ich nicht bescheinigen, weil ich es nicht wissen konnte. So weit ich mich indessen meiner Gedanken dabei entsinnen kann, war ich damals ein aufrichtiger Katholik und handelte in gutem Glauben. Die Liebe zu dem Wunderbaren, dem menschlichen Herzen so natürlich, meine Ehrfurcht vor dem tugendhaften Prälaten, der geheime Stolz, vielleicht selbst zu diesem Wunder beigetragen zu haben, wirkten zusammen, mich zu meiner Bescheinigung zu verleiten, und so viel ist gewiß, daß ich mir, wenn dieses Wunder die Folge glühender Gebete gewesen wäre, sehr wohl einen Theil daran hätte
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