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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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herrschte damals zu Messina. Die englische Flotte hatte dort vor Anker gelegen und es wurde die Felucke durchsucht, auf der ich mich befand. Dies unterwarf uns, als wir nach einer langen und mühseligen Fahrt in Genua ankamen, einer Quarantaine von einundzwanzig Tagen. Man überließ es uns Passagieren, ob wir sie an Bord oder im Lazareth durchmachen wollten, in welchem wir jedoch, wie uns versichert wurde, nur die kahlen vier Wände finden würden, weil man noch nicht Zeit gehabt hätte, es zu möbliren. Alle wählten die Felucke. Die unerträgliche Hitze, der beschränkte Raum, die Unmöglichkeit, auf ihr frei umherzugehen, und das Ungeziefer bewogen mich, auf jede Gefahr hin, das Lazareth vorzuziehen. Ich wurde in ein großes, zweistöckiges, vollkommen kahles Gebäude geführt, in welchem ich weder Fenster noch Tisch, weder Bett noch Stuhl, ja nicht einmal eine Fußbank, mich zu setzen, noch ein Bund Stroh, mich darauf zu legen, vorfand. Man brachte mir meinen Mantel, meinen Nachtsack und meine beiden Reisekoffer, schloß dicke Thüren mit dicken Schlössern hinter mir zu, und ich blieb allein als unbeschränkter Herr, ganz nach Belieben von Zimmer zu Zimmer und von Stockwerk zu Stockwerk zu gehen, um überall die nämliche Einsamkeit und die nämliche Kahlheit zu finden.
    Dies alles ließ mich doch nicht bereuen, dem Lazareth den Vorzug vor der Felucke gegeben zu haben, und wie ein zweiter Robinson begann ich mich für meine einundzwanzig Tage einzurichten, als ob es für die ganze Lebenszeit gegolten hätte. Zuerst überließ ich mich dem Vergnügen, Jagd auf die Flöhe zu machen, die ich in der Felucke aufgelesen hatte. Als ich nach öfterem Wechsel von Wäsche und Kleidungsstücken endlich von diesem Ungeziefer rein geworden war, ging ich zur Ausstattung des Zimmers über, welches ich mir erwählt hatte. Aus meinen Westen und Hemden machte ich mir eine ausreichende Matratze, aus mehreren Servietten, die ich zusammennähte, Betttücher, aus meinem Schlafrocke eine Decke und aus meinem zusammengerollten Mantel ein Kopfkissen. Der eine flach hingestellte Koffer bildete meinen Stuhl und der andere, den ich aufgerichtet hatte, mußte meinen Tisch abgeben. Ich langte Papier und Tintenfaß hervor und stellte ein Dutzend Bücher, die ich bei mir hatte, in Form einer Bibliothek auf. Kurz, ich machte mir es so bequem, daß ich es, wenn ich von den Vorhängen und Fenstern absehe, in diesem vollkommen kahlen Lazareth fast eben so angenehm hatte wie in meinem Ballhause in der Straße Verdelet. Meine Mahlzeiten wurden in sehr feierlichem Aufzuge aufgetragen; zwei Grenadiere mit aufgepflanztem Bajonett dienten ihnen als Geleit; die Treppe war mein Speisesaal, der Treppenabsatz gab sich zu meiner Tafel her, die Stufe darunter bot sich mir zum Sitze dar; und sobald mein Mahl aufgetragen war, gab man mir, während man sich zurückzog, mit einer Glocke das Zeichen, daß ich mich zur Tafel begeben könnte. Zwischen meinen Mahlzeiten ging ich, wenn ich nicht las oder schrieb, oder nicht an der Ausstattung meines Zimmers arbeitete, auf dem protestantischen Gottesacker, der mir als Hof diente, spazieren; oder ich bestieg ein durchbrochenes Thürmchen, welches auf den Hafen hinausging und von dem ich die Schiffe ein- und auslaufen sehen konnte. In dieser Weise verlebte ich vierzehn Tage, und würde dort die ganzen drei Wochen zugebracht haben, ohne mich auch nur einen Augenblick zu langweilen, wenn es dem Herrn von Jonville, dem französischen Gesandten, dem ich einen mit Essig durchräucherten, parfümirten und halb verbrannten Brief überreichen ließ, nicht gelungen wäre, meine Zeit um acht Tage abzukürzen; ich ging, sie bei ihm zuzubringen, und ich gebe gern zu, daß ich mich in seinem Hause angenehmer befand als in dem Lazareth. Er erwies mir viele Freundlichkeiten. Sein Secretär Dupont war ein guter Junge, der mich sowohl in Genua wie auf dem Lande in mehrere Häuser einführte, in denen man sich leidlich unterhielt. Ich knüpfte mit ihm Bekanntschaft an und trat später mit ihm in Briefwechsel, den wir sehr lange unterhielten. Darauf setzte ich auf angenehme Weise meine Reise durch die Lombardei fort. Ich sah Mailand, Verona, Brescia, Padua und kam endlich, vom Herrn Gesandten ungeduldig erwartet, in Venedig an.
    Ich fand Haufen von Depeschen sowohl vom Hofe wie von anderen Gesandten, von denen er die chiffrirten Theile nicht hatte lesen können, obgleich er alle dazu nöthige Schlüssel besaß. Da ich nie auf einem Bureau

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