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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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gearbeitet und in meinem ganzen Leben keine von dem Minister angewandten Chifferschriften gesehen hatte, fürchtete ich anfangs in Verlegenheit zu kommen. Allein ich überzeugte mich, daß nichts einfacher war, und in weniger als acht Tagen hatte ich das Ganze dechiffrirt, was wahrhaftig nicht der Mühe werth war; denn abgesehen davon, daß die Gesandtschaft in Venedig schon überhaupt nicht viel zu thun hat, war er auch nicht der Mann dazu, daß man ihm auch nur die geringste Unterhandlung hätte anvertrauen mögen. Er hatte sich bis zu meiner Ankunft in großer Verlegenheit befunden, da er weder zu dictiren noch lesbar zu schreiben verstand. Ich war ihm sehr nützlich; er sah es ein und behandelte mich gut. Noch ein anderer Beweggrund trieb ihn dazu an. Nach der Verabschiedung seines Vorgängers, des Herrn von Froulay, der wahnsinnig geworden, war dem französischen Consul, Herrn Le Blond, die Fortführung der Geschäfte übertragen worden, und dieser leitete sie auch nach Ankunft des Herrn Montaigu weiter, bis er denselben vollkommen eingeweiht haben würde. Eifersüchtig darauf, daß ein anderer seine Geschäfte verrichtete, zu denen er sich doch unfähig fühlte, warf er doch seinen ganzen Groll auf den Consul, und unmittelbar nach meiner Ankunft nahm er ihm die Secretariatsgeschäfte der Gesandtschaft ab und übertrug sie mir. Sie waren von dem Titel unzertrennlich, und deshalb forderte er mich auf, ihn anzunehmen. So lange ich bei ihm war, sandte er unter diesem Titel stets nur mich an den Senat und andere Interessenten, und im Grunde war es sehr natürlich, daß er zum Gesandtschaftssecretär lieber jemand haben wollte, der von ihm allein abhängig war, als einen Consul oder einen vom Hof ernannten Bureaubeamten.
    Dies machte meine Stellung ziemlich angenehm und hielt seine Edelleute, die ebenso wie seine Pagen und seine meisten Leute Italiener waren, davon ab, mir den Vorrang in seinem Hause streitig zu machen. Ich benutzte mit Erfolg das damit verbundene Ansehen, um sein droit de liste , das heißt das Asylrecht seines Hauses, gegen die mehrfach gemachten Versuche es zu verletzen, denen sich seine venetianischen Beamten zu widersetzen hüteten, in Kraft zu erhalten. Allein ich duldete auch nie, daß Banditen darin ihre Zuflucht fanden, obgleich ich daraus hätte Gewinn ziehen können, den Seine Excellenz gewiß gern mit mir getheilt haben würde.
    Sie erdreistete sich sogar, die Gebühren für die mit dem Secretariat verbundenen Kanzleigeschäfte zu beanspruchen. Man war im Kriege; das verhinderte nicht die Ausstellung vieler Pässe. Für jeden dieser Pässe mußte an den Secretär, der ihn ausstellte und gegenzeichnete, eine Zechine entrichtet werden. Alle meine Vorgänger hatten sich diese Zechine ohne Unterschied von Franzosen wie von Fremden bezahlen lassen. Ich fand diesen Gebrauch ungerecht und, ohne Franzose zu sein, schaffte ich ihn für die Franzosen ab; von allen Uebrigen trieb ich jedoch die mir zustehende Gebühr so streng ein, daß ich sie von dem Bruder des Günstlings der Königin von Spanien, dem Marquis Scotti, der von mir ohne Einsendung der Zechine einen Paß verlangt hatte, einfordern ließ, eine Kühnheit, welche der rachsüchtige Italiener nicht vergaß. Seit Bekanntwerdung dieser Reform hinsichtlich der Abgabe für die Pässe erschienen, um solche zu erlangen, nur noch Schaaren angeblicher Franzosen, die sich in einem abscheulichen Kauderwelsch bald für Provencalen, bald für Picarden oder Burgunder ausgaben. Da ich ein ziemlich feines Gehör habe, ließ ich mich von ihnen nicht leicht hinter das Licht führen, und ich zweifle, daß mich auch nur ein einziger Italiener um meine Zechine gebracht oder ein einziger Franzose sie gezahlt hat. Ich hatte die Thorheit mit Herrn von Montaigu, der von keinem Dinge etwas wußte, von dem, was ich gethan hatte, zu reden. Bei dem Worte Zechine spitzte er die Ohren, und ohne mir seine Ansicht über die Aufhebung der Abgabe für die Franzosen zu äußern, verlangte er von mir, daß ich mit ihm über die anderen Abrechnung halten sollte, indem er mir Gewinnantheile gleichen Werthes versprach. Noch mehr über diese Niedrigkeit entrüstet, als von meinem eigenen Interesse angetrieben, gerieth ich in Zorn. »Nein, mein Herr,« sagte ich zu ihm, »möge Eure Excellenz behalten, was Ihnen gehört, und mir lassen, was mir zusteht; ich werde Ihnen nie auch nur einen Sou davon abgeben.« Da er sah, daß er auf diesem Wege nichts gewann, schlug er einen

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