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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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seinen Schuldschein oder sein volles Geld. Was würde ich in meiner Entrüstung nicht für die Wiedererlangung dieses verwünschten Scheines gegeben haben! Ich bezahlte die zweihundert Franken und noch dazu in eigener größter Noth. So floß dem Gläubiger durch den Verlust des Scheines die ganze Summe zu, während, wenn sich derselbe zum Unglück für ihn wiedergefunden hätte, Seine Excellenz Zanetto Nani nur mit großer Mühe zur Zahlung der versprochenen zehn Thaler hätte bewogen werden können.
    Die Ueberzeugung, daß ich Talent für meinen Beruf besäße, beseelte mich mit Eifer für denselben. Wenn ich von dem Umgange mit meinem Freunde Carrio, mit dem tugendhaften Altuna, von dem ich bald werde zu reden haben, wenn ich von den höchst unschuldigen Erholungen des Markusplatzes und des Theaters, sowie von einigen Besuchen absehe, die wir fast stets zusammen abstatteten, so suchte ich mein Vergnügen lediglich in der Erfüllung meiner Pflichten. Obgleich meine Arbeit nicht sehr mühevoll war, zumal ich an dem Abbé von Vinis einen Gehilfen hatte, so war ich gleichwohl beschäftigt, da die Correspondenz sehr ausgebreitet war und wir uns im Kriege befanden. Ich arbeitete täglich einen guten Theil des Vormittags und an den Couriertagen mitunter bis Mitternacht. Die übrige Zeit widmete ich dem Studium des Berufes, in den ich eingetreten und in dem ich bei dem Erfolge in meiner Anfangsstellung auf eine noch vorteilhaftere Verwendung in der Zukunft mit Sicherheit rechnete. In der That gab es über mich nur eine Stimme, von der des Gesandten an, welcher meine Dienste laut lobte, nie gegen sie etwas auszusetzen hatte, und dessen ganze Wuth späterhin nur daher rührte, daß ich schließlich meinen Abschied verlangte, da meine eigenen Beschwerden unberücksichtigt blieben. Die Gesandten und Minister des Königs, mit denen wir in Briefwechsel standen, sagten ihm über die glänzende Befähigung seines Secretärs Schmeicheleien, die ihn angenehm hätten berühren müssen, während sie in seinem befangenen Kopfe eine gerade entgegengesetzte Wirkung hervorbrachten. Bei einer sehr wichtigen Angelegenheit wurde ihm namentlich eine ausgesprochen, welche er mir nie verziehen hat. Es lohnt sich der Mühe, den Vorfall näher zu erläutern.
    Er war so wenig fähig, sich Zwang aufzuerlegen, daß er selbst am Sonnabende, an dem fast sämmtliche Couriere abgefertigt wurden, das Ausgehen nicht bis zur Beendigung der Arbeit aufschieben konnte, und unter fortwährendem Drängen, die Depeschen für den König und die Minister zu vollenden, unterzeichnete er sie in aller Hast und lief darauf, ich weiß nicht wohin, während er den größten Theil der anderen Briefe ohne Unterschrift ließ. Hierdurch wurde ich gezwungen, wenn es nur auf die Mittheilung von Neuigkeiten ankam, sie im gewöhnlichen Tagesberichte zu erwähnen; wenn es sich jedoch um königliche Dienstangelegenheiten handelte, war es durchaus nöthig, daß sie jemand unterzeichnete, und so unterzeichnete ich dann selbst. Dies that ich auch bei einer wichtigen Nachricht, die wir von Herrn Vincent, dem königlichen Geschäftsträger in Wien erhalten hatten. Es war damals, als der Fürst Lobkowitz nach Neapel marschirte und der Graf von Gages jenen denkwürdigen Rückzug ausführte, die schönste Kriegsthat des ganzen Jahrhunderts, die in Europa viel zu wenig beachtet ist. Die Nachricht meldete, daß ein Mann, dessen Signalement uns Herr Vincent beilegte, von Wien abreisen und über Venedig heimlich nach den Abruzzen geben sollte, mit dem Auftrage, bei dem Anrücken der Oestreicher einen Volksaufstand zu erregen. In der Abwesenheit des Herrn Grafen von Montaigu, der sich durch nichts aus seiner Ruhe stören ließ, theilte ich dem Marquis de l'Hopital diese Nachricht mit und zwar so rechtzeitig, daß das Haus Bourbon vielleicht nur diesem armen und so verhöhnten Jean Jacques die Erhaltung des Königreichs Neapel verdankt.
    Als sich der Marquis de l'Hopital, wie es billig war, dafür bei seinem Collegen bedankte, erwähnte er dabei seines Secretärs und des von ihm der gemeinsamen Sache geleisteten Dienstes. Der Graf von Montaigu, der sich bei dieser Angelegenheit seine Nachlässigkeit vorzuwerfen hatte, glaubte in dem ihm abgestatteten Danke einen Vorwurf für sich zu sehen und sprach sich gegen mich sehr unwillig darüber aus. Ich war in der Lage gewesen, dem Grafen von Castellane, der Gesandter in Konstantinopel war, einen ähnlichen Dienst wie dem Marquis de l'Hôpital, wenn

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