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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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auch in einer weniger wichtigen Sache, zu erweisen. Da es nach Konstantinopel keine andere Postverbindung als vermittelst der Couriere gab, welche der Senat von Zeit zu Zeit an seinen Gesandten bei der Pforte sandte, so benachrichtigte man den französischen Gesandten von der Abreise dieser Couriere, damit er, wenn es ihm zweckdienlich schien, seinem Collegen auf diesem Wege Nachrichten zukommen lassen könnte. Diese Benachrichtigung traf gewöhnlich einen oder zwei Tage früher ein; allein man achtete den Herrn von Montaigu so wenig, daß man sich damit begnügte, nur der Form wegen eine oder zwei Stunden vor der Abreise des Couriers zu ihm zu senden, was mich wiederholentlich in die Notwendigkeit versetzte, die Depesche in seiner Abwesenheit aufzusetzen und abzuschicken.
    Ich bekenne, daß ich die Gelegenheit, mich zur Geltung zu bringen, nicht vermied, aber ich suchte sie eben so wenig ohne Grund, und ich erblickte nichts Unrechtes darin, bei treuer Dienstführung auch nach dem natürlichen Lohne für gute Dienste zu streben, das heißt nach der Achtung derjenigen, die im Stande sind, sie zu beurtheilen und zu belohnen. Ich weiß nicht, ob meine Pünktlichkeit in der Erfüllung meiner Amtsgeschäfte meinem Gesandten einen gerechten Grund zur Klage gab, aber soviel weiß ich, daß es die einzige war, welche er bis zum Tage unserer Trennung ausgesprochen hat.
    Sein Haus, das er nie gehörig einzurichten verstanden hatte, füllte sich mit Schurken; die Franzosen wurden in demselben übel behandelt, die Italiener gewannen die Herrschaft, und sogar unter ihnen wurden die guten Diener, welche der Gesandtschaft schon lange angehörten, sämmtlich schimpflich fortgejagt, unter andern der erste Edelmann der bereits bei dem Grafen von Froulay dieses Ehrenamt bekleidet hatte, ein gewisser Graf Peati, wie ich glaube, oder wenigstens ein Nobile sehr ähnlichen Namens. Der zweite Edelmann, den Herr von Montaigu sich erwählt hatte, war ein Bandit aus Mantua, Namens Dominico Vitali. Dieser Mann, welchem der Gesandte die Sorge für seinen Haushalt anvertraute, erlangte durch Speichelleckerei und elende Knauserei sein Vertrauen und wurde sein Günstling, zum großen Schaden der wenigen noch vorhandenen ehrlichen Leute, und namentlich des Secretärs an ihrer Spitze. Das klare Auge eines ehrlichen Mannes ist für die Spitzbuben stets etwas Beunruhigendes. Mehr hätte es nicht bedurft, um mir seinen Haß zuzuziehen; aber dieser Haß hatte noch eine andere Ursache, welche ihn bedeutend verschärfte. Ich muß diese Ursache erzählen, damit man mich verurtheile, wenn ich Unrecht hatte.
    Der Gesandte hatte nach der allgemeinen Sitte in jedem der fünf Theater eine Loge. Regelmäßig nannte er beim Mittagsessen das Theater, welches er an diesem Tage besuchen wollte; nach ihm wählte ich, und die Edelleute verfügten über die anderen Logen. Beim Fortgehen nahm ich den Schlüssel der Loge, die ich gewählt hatte. Da Vitali eines Tages nicht da war, trug ich dem zu meiner Bedienung bestimmten Lakaien auf, mir den Schlüssel in ein Haus zu bringen, das ich ihm angab. Anstatt mir meinen Schlüssel zu senden, ließ mir Vitali sagen, daß er darüber verfügt hätte. Ich fühlte mich um so mehr beleidigt, als mir der Lakai seinen Auftrag vor der ganzen Gesellschaft mitgetheilt hatte. Am Abend wollte mir Vitali einige Worte der Entschuldigung sagen, die ich jedoch nicht annahm. »Morgen,« sagte ich zu ihm, »werden Sie, mein Herr, mich zu einer bestimmten Stunde in dem Hause, in dem mir der Schimpf zugefügt ist, und vor den Leuten, die Zeugen davon gewesen sind, um Entschuldigung bitten; andrenfalls verlassen Sie oder ich, was auch die Folgen sein mögen, dieses Haus.« Dieser entschiedene Ton machte Eindruck auf ihn. Er erschien zur bestimmten Stunde an dem bezeichneten Orte, um mir mit einer seiner würdigen Erbärmlichkeit seine Entschuldigungen öffentlich auszusprechen; aber er ergriff mit Muße seine Maßregeln und, während er die tiefsten Verbeugungen vor mir machte, arbeitete er auf echt italienische Weise dergestalt, daß er mich in die Notwendigkeit versetzte, den Abschied zu nehmen, nachdem er den Gesandten nicht hatte bewegen können, ihn mir zu ertheilen.
    Ein so elender Mensch wie er war sicherlich unfähig, mein Wesen genau zu verstehen; allein er kannte mich so weit, als es sein Gesichtskreis zuließ. Er kannte meine Gutmüthigkeit und ungemeine Sanftmuth im Ertragen unabsichtlicher Kränkungen, wußte aber auch, daß ich bei

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