Rousseau's Bekenntnisse
Propheten« eine Broschüre von wenigen Seiten unter dem Titel »Die Vision Peters vom Berge, genannt des Sehers«, in der ich Gelegenheit fand, mich zugleich über die Wunder, die einen Hauptvorwand zu meiner Verfolgung bildeten, in scherzhafter Weise zu ergehen. Du Peyrou ließ in Genf diesen Wisch, der in der Gegend nur unbedeutenden Erfolg hatte, drucken, da die Neufchâteler bei all ihrem Geiste attisches Salz und etwas seinen Witz nicht herauszufühlen vermögen.
Etwas mehr Fleiß verwandte ich auf eine andere Schrift aus der nämlichen Zeit, von der man das Manuscript unter meinen Papieren finden wird, und deren Inhalt ich hier angeben muß.
Bei der Flut der Erlasse und dem Sturme der Verfolgung hatten sich die Genfer besonders hervorgethan, indem sie ein gewaltiges Zetergeschrei erhoben, und unter andern wählte mein Freund Vernes mit einem wahrhaft theologischen Edelsinne gerade diese Zeit, um gegen mich Briefe zu veröffentlichen, in denen er zu beweisen behauptete, daß ich kein Christ wäre. Diese im Tone großer Selbstgefälligkeit geschriebenen Briefe wurden dadurch nicht besser, daß, wie man versicherte, der Naturforscher Bonnet dabei mit Hand angelegt hatte, denn obgleich Materialist kann sich der genannte Bonnet, sobald es sich um mich handelt, doch nicht enthalten, eine sehr unduldsame Orthodoxie an den Tag zu legen. Ich fühlte mich wahrlich nicht versucht, auf dieses Werk zu antworten, aber da sich mir die Gelegenheit darbot, in den »Briefen vom Berge« ein Wort darüber zu sagen, so schaltete ich in Bezug darauf eine ziemlich geringschätzende Anmerkung ein, die Vernes in Raserei versetzte. Er erfüllte Genf mit seinem Wuthgeschrei, und Ivernois theilte mir mit, daß er wie besessen wäre. Einige Zeit darauf erschien ein anonymes Blatt, das anstatt mit Tinte mit dem Wasser des Phlegethon geschrieben schien. In diesem Briefe klagte man mich an, meine Kinder auf der Straße ausgesetzt zu haben, eine Soldatendirne mit mir umherzuschleppen, von Ausschweifungen abgemergelt und durch und durch venerisch zu sein und andre Liebenswürdigkeiten ähnlicher Art. Es war mir nicht schwer, meinen Mann darin wiederzuerkennen. Mein erster Gedanke bei der Lectüre dieser Schmähschrift war, alles, was man unter den Menschen Ruf und guten Namen nennt, auf seinen wahren Werth zurückzuführen, sah ich doch, wie man einen Mann als Mädchenjäger behandelte, der nie ausgeschweift hatte und dessen Hauptfehler stets war, schüchtern und verschämt wie eine Jungfrau zu sein; mußte ich doch die Erfahrung machen, daß man mich durch und durch für venerisch hielt, mich, der ich nicht allein mein Leben lang nie von einem Leiden dieser Art ergriffen war, sondern den Fachkundige sogar für unfähig hielten, davon behaftet zu werden. Alles wohl erwogen, glaubte ich diese Schmähschrift nicht besser widerlegen zu können, als dadurch, daß ich sie in der Stadt, in welcher ich gelebt hatte, drucken ließe, und ich schickte sie an Duchesne, damit er sie wörtlich nebst einem Vorworte, in dem ich Herrn Vernes als Verfasser nannte, sowie mit einigen kurzen Bemerkungen zur Erläuterung der Thatsachen druckte. Nicht zufrieden mit der Vervielfältigung dieses Blattes sandte ich es auch mehreren Personen und unter andern dem Prinzen Ludwig von Württemberg, der mir mit großer Freundlichkeit entgegengekommen war und mit dem ich damals einen Briefwechsel unterhielt. Dieser Prinz, Du Peyrou und andere schienen zu zweifeln, daß Vernes der Verfasser der Schmähschrift war und tadelten mich, ihn allzu leichtsinnig als solchen bezeichnet zu haben. Auf ihre Vorstellungen hin stiegen Bedenken in mir auf, und ich forderte Duchesne auf, dieses Blatt zu unterdrücken. Guy schrieb mir, mein Geheiß wäre ausgeführt; ich habe ihn aber bei so vielen Gelegenheiten als Lügner erkannt, daß ich mich nicht wundern würde, hätte er diesmal ebenfalls gelogen. Von jener Zeit an umhüllte mich tiefste Dunkelheit, durch welche ich keine Wahrheit irgend einer Art zu erkennen vermochte.
Herr Vernes ertrug diese Bezichtigung mit einer Milde, die bei einem Manne, der sie nicht verdient und vorher eine so große Wuth gezeigt hatte, mehr als auffallend war. Er schrieb zwei oder drei sehr maßvolle Briefe an mich, deren Zweck mir zu sein schien, aus meinen Antworten zu ersehen, wie weit ich unterrichtet wäre und welchen Beweis ich wider ihn hätte. Ich gab ihm zwei kurze, trockne, dem Inhalte nach strenge, aber dem Wortlaute nach nicht unhöfliche
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