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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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von den Aeltesten zu verführen, die lieber den Mahnungen ihres Gewissens als den seinigen folgten und nicht stimmten, wie die Geistlichkeit und er es haben wollte. Wie mächtig auch seine aus dem Keller hergeholten Beweisgründe auf Leute dieser Art wirken mußten, so konnte er von ihnen doch keine andren gewinnen, als die zwei oder drei, die ihm schon ergeben waren, und die man scherzhafter Weise seine »verdammten Seelen« nannte. Der fürstliche Beamte und der Obrist von Pury, der bei dieser Angelegenheit viel Eifer bewies, hielten die andern fest bei ihrer Pflicht, und als dieser Montmollin zum Kirchenbann schreiten wollte, fiel sein Antrag beim Consistorium mit Stimmenmehrheit durch. Nun zum letzten Auswege, zur Aufreizung der Volkshefe gezwungen, fing er mit seinen Amtsbrüdern und andren Leuten offen darauf hinzuwirken an und zwar mit einem solchen Erfolge, daß ich trotz der entschiedenen und wiederholten Verfügungen des Königs, trotz aller Befehle des Staatsrates schließlich genöthigt wurde, das Land zu verlassen, um nicht den fürstlichen Beamten der Gefahr auszusetzen, bei meiner Verteidigung ermordet zu werden.
    Von diesem ganzen Vorgange habe ich nur eine so verworrene Erinnerung, daß es mir unmöglich ist, in die Gedanken, die darüber wieder in mir aufsteigen, Ordnung und Zusammenhang zu bringen, und daß ich sie nur planlos und abgerissen mitzutheilen vermag, wie sie sich mir gerade vergegenwärtigen. Ich erinnere mich, daß mit der Geistlichkeit eine Art von Unterhandlungen stattgefunden hatte, deren Vermittler Montmollin gewesen war. Er hatte vorgegeben, man besorgte, daß ich durch meine Schriften die Ruhe im Lande stören könnte und man sie dafür verantwortlich machen würde, wenn man mich frei schreiben ließe. Er hatte mir zu verstehen gegeben, wenn ich mich verpflichtete, der Feder zu entsagen, würde man von der Vergangenheit absehen. Ich hatte diese Verpflichtung mir schon selbst abgelegt; ich trug kein Bedenken, mich zu ihr auch der Geistlichkeit gegenüber zu verstehen, aber freilich nur bedingungsweise und lediglich über religiöse Gegenstände. Er brachte es dahin, daß ich ihm wegen einer Änderung, die er verlangt hatte, dieses Schriftstück doppelt ausstellte. Da die Geistlichkeit die Bedingung verwarf, verlangte ich meinen Revers zurück; er stellte mir nur ein Exemplar wieder zu und behielt das andre, indem er vorschützte, er hätte es verloren. Offen durch die Prediger aufgehetzt, verhöhnte darauf das Volk die Erlasse des Königs, die Befehle des Staatsrates und war aus Rand und Band. Man predigte auf den Kanzeln gegen mich, ich wurde der Antichrist genannt und auf dem Lande wie ein Wärwolf verfolgt. Mein armenisches Gewand diente der Volkshefe als Kennzeichen. Ich fühlte das Unziemliche desselben schmerzlich, aber es unter solchen Verhältnissen abzulegen, schien mir eine Feigheit. Ich konnte mich nicht dazu entschließen und ging auf meinen Spaziergängen ruhig in meinem Kaftan und mit meiner verbrämten Mütze einher, von dem Hohngeschrei der Volkshefe und bisweilen von Steinwürfen verfolgt. Mehrmals hörte ich, wenn ich an den Häusern vorüberging, eine Stimme rufen: »Bringe mir meine Flinte, daß ich ihn niederschieße.« Ich ging deshalb nicht schneller; sie wurden nur noch wüthender, aber es blieb immer bei den Drohungen, wenigstens hinsichtlich der Feuerwaffen.
    Während dieser ganzen Gährung hatte ich trotzdem zweimal eine große Freude, die mir sehr wohl that. Die erste bestand darin, daß ich durch Vermittelung des Mylord Marschalls einen Act der Dankbarkeit ausüben konnte. Alle anständige Leute Neufchâtels verabscheuten, empört über die mir zugefügte Behandlung und über das Verfahren, dessen Opfer ich war, die Prediger, da sie wohl einsahen, daß dieselben fremdem Antriebe Folge leisteten und nur die Satelliten anderer Leute waren, die sich verbargen und jene handeln ließen. Dazu kam noch ihre Besorgnis, mein Beispiel könnte die Errichtung einer förmlichen Inquisition nach sich ziehen. Die Behörden und besonders Herr Meuron, der Nachfolger des Herrn von Ivernois als Generalprocurator, machten alle Anstrengungen, um mich zu vertheidigen. Der Obrist von Pury that, obgleich er ein einfacher Privatmann war, noch mehr und hatte bessern Erfolg. Er war es, der es dahin brachte, daß Montmollin in seinem Consistorium zu Kreuze kriechen mußte, indem er die Aeltesten in ihrer Pflicht erhielt. Da er großes Ansehen hatte, benutzte er es nach Kräften,

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