Roxelane
der Chasseki.
Und nun war Roxelane doch einen Augenblick so gerührt, daß Nino ihr die Augen abtupfen mußte. Denn die Bestimmungen der Stiftung waren von der Liebe diktiert, von Solimans Liebe zu ihr.
Mit der Moschee sollte nämlich ein Heim für bedürftige Frauen verbunden werden - und darin erkannte sie Solimans zärtliches
Verstehen, daß dieses Asyl allen Frauen ohne jeden Unterschied des Bekenntnisses offenstehen sollte.
Dadurch hatte Soliman sich im Gegensatz zu den engherzigen Auffassungen der Konfessionsgebundenen zu ihr bekannt. Denn nur auf diese Weise konnte die Stiftung in Wirklichkeit ein Vermächtnis aus ihrer, Roxelanes, Gesinnung werden.
Zum erstenmal während des Empfangs öffnete sie den Mund. „Berichten Sie Seiner Majestät, was Sie sahen“, sagte sie und neigte wie zum Dank das Haupt.
Als der Kislar Aga sich jedoch, dadurch ermutigt, mit der Bemerkung hervorwagte, daß es vielleicht noch besser sei, wenn Ihre kaiserliche Hoheit ihren Dank Seiner Majestät selbst aussprechen würde - da machte sie eine Bewegung des Verneinens.
„Wer sind wir, daß wir an Allahs Worten rütteln?“ fragte sie und brachte damit den Kislar, den Kurator der heiligen Städte Mekka und Medina, zum Verstummen.
Die letzte Vorstellung machte der Chaßoda Baschi.
„Eure kaiserliche Hoheit bitte ich, mir die Mitteilung zu gestatten, daß ich im Besitz eines Befehls Seiner Majestät bin, der mich ermächtigt, die öffentliche Verlesung des Handschreibens zu verhindern.“
„Nur die öffentliche Verlesung?“ meinte Roxelane. „Das ist nicht viel, Exzellenz.“
„Jede Verlesung und jede Zustellung könnte durch mich verhindert werden“, ergänzte der Aga. „Der Hatti Scherif wäre dann nie gewesen, weil er zu Seiner Majestät zurückkehren und von Allerhöchstihm vernichtet werden würde.“
Doch Roxelane hatte nichts mehr zu überlegen.
Jeder Schritt zurück bedeutete eine Schwächung ihrer Stellung - erst in den Augen der Welt, dann in denen Solimans. Das war keine Hilfe für ihre Söhne, und was sie selbst leiden würde, kam nicht in Betracht. Ihr Verhalten konnte ihre Kinder adeln oder sie herabsetzen -darauf allein kam es ihr an. Ihre Verbannung dagegen würde keine Herabsetzung und dabei noch ein Zeichen sein, das ihre Söhne nicht übersehen konnten. Mochten sie sich in Sicherheit bringen mit dem Segen der Mutter.
Das waren Roxelanes Gedanken. Zeit genug, sie zu denken, hatte sie gehabt.
„Lassen Sie den Hatti Scherif verlesen, Exzellenz“, sagte sie, „und kümmern Sie sich nicht um mich.“
Als die Sultaninnen den Saal der Audienzen betreten wollten, gab es einen Zwischenfall. Saffieje Sultana verlangte, daß der Kislar ihr als der Chasseki in Abwesenheit der Kiajai Harem vortrete.
Das Begehren mußte mit der Gegenvorstellung zurückgewiesen werden, daß sich der Hatti Scherif an Churrem Sultana richte, was allein ihr schon für die Zeremonie den Vorrang und das Recht sichere, erst als letzte unter großem Vortritt im Saal zu erscheinen. Roxelane selbst freilich verschwendete keine einzige Regung ihres Herzens an diesen Streit. Sie wünschte sich nur, daß alles schon vorüber sein möge; denn sie empfand das, was als höchste Ehrung für sie gedacht war, doch nur als das glänzende Leichenbegräbnis ihrer Liebe.
Aber die Vorschriften des Zeremonials kümmerten sich um keine Gefühle, und so setzten sich denn erst zum Schluß Roxelanes Kämmerer mit den weißen Stäben in Bewegung, an denen die silbernen Ketten klirrten.
Auch hörte sie ihren Lala ihre neue Würde verkündigen. „Churrem Sultana Chasseki“, worauf alle, als sie nun unter dem Vortritt des Kislar die Schwelle überschritt, in das „Alai!“ und „Langes Leben!“ ausbrachen, das ihr zustand.
Wie Spießrutenlaufen kam ihr das alles vor, und zum Überfluß hatte sie auch noch unmittelbar zu ihrer Rechten Saffieje und zu ihrer Linken Tamara und Esma sitzen; denn das Zeremonial ließ sich durch nichts beirren.
Sie spürte die Wellen des Hasses, des Hohnes, der Schadenfreude, aber auch des Bedauerns auf sich eindringen - wie in einem feurigen Ofen fühlte sie sich. Und doch war jedermann enttäuscht, der etwa gehofft hatte, irgend etwas von Roxelanes Gesicht ablesen zu können. Es war undurchdringlich, und ihre Augen blickten in die Weite.
Ganz vorn am Schleier stand der Bostandschi Baschi. Im Hofdienst groß geworden und als General bewährt, machte er mit seinem eisgrauen gepflegten Bart einen würdigen Eindruck,
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