Roxelane
Wartenden sowieso schon nicht aufkommen. Jeder fühlte sich als Wächter und überwacht. Gerade nur des allerhöchsten Auftrages hatten sie sich zu entledigen und sich jeder eigenen Zutat, sei es durch ein Wort oder einen Blick, unter allen Umständen zu enthalten. Wer von ihnen seinen Kopf behalten wollte, tat gut daran, sich danach zu richten.
Und alle drei wollten ihre Köpfe behalten.
Wenn auch keiner von ihnen Roxelanes Gegner gewesen war, so gehörten sie auch wieder nicht zum engeren Kreis ihrer Getreuen. Jeder, der ihr besonders nahegestanden hatte, war offenbar bei dieser Mission übergangen worden.
Während des stummen Wartens dehnten sich die Minuten. Schließlich jedoch kam Roxelane mit ihrer Hofmeisterin und zwei Damen.
Ihre Begleitung war glanzvoll gekleidet. Nur sie selbst erschien schwarz wie immer in letzter Zeit. Ein Diadem in grüner Emaillearbeit mit Smaragden und ein ebenfalls mit Smaragden bestickter grüner Gürtel waren mit dem purpurnen Damastfutter ihrer offenen Ärmel die einzigen Unterbrechungen in ihren dunklen Gewändern. Sie ließ ihre Damen am Rande des Teppichs zurück und trat in dessen Mitte. Dort empfing sie den Kleidkuß des Gesandten, wonach der Kislar Aga die Knie beugte und auf Befehl des Padischahs der Sultana das Dekret überreichte, das sie zur Chasseki ernannte. Roxelane gab es ihrer Hofmeisterin Nino.
Das war alles, was sie auf die Auszeichnung erwiderte.
Irgendeine Hoffnung knüpfte sie nicht daran.
Das Handschreiben werde nun noch die Übertragung der Lehen und die Aufforderung zur Abreise nach Athen bringen, war Roxelane überzeugt, und es werde alles geschehen, wie es vorgesehen sei. Tatsächlich war Mirmahs Bericht ihr denn auch noch von anderer Seite bestätigt worden.
Daß der Kislar Aga eine Ansprache folgen ließ, war daher eine Überraschung für sie.
„Glänzendes Juwel des Lobpreises, von den Kanzeln des Himmels mit Engelszungen verkündet - Schmuck aller Zeiten, umstrahlt von des Morgensterns Glanz - prächtig, geadelt und mächtig wie Ferengis, Suleika und Balkis, ohne Tadel wie die Jesusmutter Maria -Ruhm der Frauen und Engel, glänzende Luftkoralle der Keuschheitskrone, verhüllt von der Herzensreinheit heiligen Schleiern -große Sultana .. . Sultana Chasseki!“
So begann der Kislar.
Er war ein noch jüngerer, eleganter Herr, dessen etwas vertiefte, bräunliche Hauttönung als einziges an einen ,Schwarzen' erinnerte. Roxelane hatte er sich seinerzeit, ohne ihr näherzutreten, durch seine diplomatische Geschicklichkeit empfohlen. Am Tanasee als Christ geboren, war er schon verschnitten gewesen, bevor er durch die Beschneidung ein Moslem wurde. Den Stolz auf seine reine amharische Herkunft hatte er deswegen jedoch nicht verloren.
Er fuhr fort.
Ihre kaiserliche Hoheit möge allergnädigst geruhen, einmal jede theologische Spekulation beiseite zu lassen und allein mit der Höchstihr von Allah verliehenen hohen Weisheit an das Reich denken und an dessen Herrscher, den vielgeliebten, immer siegreichen Padischah. Dann würde ihre kaiserliche Hoheit in richtiger Würdigung ihrer eigenen ambraduftenden Persönlichkeit mit Sicherheit zu dem Schluß kommen, daß die Glückseligkeit des Beherrschers der Gläubigen, des Hortes und der Zuflucht des Weltalls, die Wiederherstellung des alten, von göttlicher Huld beglückten Zustandes unerbittlich erheische.
An dieser Stelle drückten der Chaßoda Baschi und der Chasinedar durch Blick, und Miene Zustimmung zu den Worten ihres schwarzen Kollegen aus.
Doch Roxelane schwieg trotzdem.
Seine Majestät, den Allah schützen möge, meinte der Kislar weiter, sei bereit, zum Chasseki-Titel, der höchsten Ehre, die Seiner Majestät gegeben sei, Ihrer kaiserlichen Hoheit zu verleihen .. .
Roxelane verstand sehr gut, daß Soliman es damit ablehne, ihr eine höhere Ehre als die einer Innigstbegünstigten, einer Chasseki, einzuräumen ...
.. . Außer dieser Ehre, Ihrer kaiserlichen Hoheit alles zu bewilligen, was sie an Schmuck und Einkünften nur irgend verlangen könne. Als erstes Zeichen seiner huldreichen Gesinnung aber lasse er Ihrer kaiserlichen Hoheit ein Geschenk zu Füßen legen, von dem Seine Majestät hoffe, daß sie es günstig aufnehmen werde.
Worauf der Schatzmeister ein juwelengeschmücktes Kästchen aus Sandelholz überreichte.
Doch das Kästchen enthielt keinen Schmuck, sondern die Stiftungsurkunde zu einer Moschee. Auf dem Weibermarkt sollte sie errichtet und Roxelane gewidmet werden, diese Moschee
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