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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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und fast schien es unmöglich, ihn zu übersehen. Doch auch über ihn blickte Roxelane hinweg, so fern schweiften ihre Gedanken.
    Jahre habe Osman um die Priestertochter Malchatun gedient, mußte sie denken, und daß der Ahn seiner Liebe wohl kein so feierliches Begräbnis bereitet hätte wie sein Nachkomme Soliman ...
    Ob Roxelane nun jedoch hörte und zusah oder nicht - die Handlung ging unentwegt weiter, und jetzt führte der Chodscha, ein Mann, der im Rang dem Mufti fast gleichstand, den Hatti Scherif an die Stirn.
    So wenig wie ihr eigenes Schicksal dem der Malchatun gleiche, sann Roxelane immer noch, ebensowenig würden Solimans Söhne dem Beispiel von Orkhan und Alaeddin, Osmans Söhnen, folgen.
    „. .. und so fragen Wir Unsere Chasseki, die hohe Frau und Churrem Sultana, ob sie gewillt wäre, mit Uns die Gebote Allahs zu erfüllen als Unser ehelich Gemahl, wie es Kadidscha war dem Propheten. . .“ Fast wie durch Zufall hörte Roxelane diese Worte oder auch nur durch die Bewegung aufmerksam gemacht, die alle ergriff. Und nun löste sich ihre Starre.
    Ein Zittern durchlief sie.
    Sie hörte, sie sah.
    Kein Platz in dem Riesenraum war noch frei. Das ganze Reich war in seinen Vertretern aufgeboten worden, aber nicht ihr zum Abschied, sondern Soliman schenkte ihr das Reich.
    Sie hätte allein sein mögen und mußte doch den Blicken der vielen standhalten, dem Erbleichen Saffiejes und der Schwägerinnen, dem erlösenden Aufatmen der Freunde, der Überraschung aller und ihrer eigenen.
    Einen tiefen, stechenden Schmerz fühlte sie in ihrem Herzen, das stehenzubleiben schien, um dann doch seinen Weg mit hastigen Sprüngen fortzusetzen.
    Nun das Ziel ihres Kampfes wider Erwarten erreicht war, fühlte sie nichts als einen körperlichen Schmerz.
    Und ob Soliman ihr nicht Schmerz und Kampf habe ersparen können.
    überlegte sie wie unter einem Zwang. Habe sie nicht einst gelernt: ,Führe mich nicht in Versuchung?' Und was seien die Ansprache des Kislars, das Angebot des Chaßoda Baschi im Andachtsraum anderes als Versuchungen gewesen? Im Falle des Erliegens wäre der Hatti Scherif nie verlesen worden, hätte sie niemals diese Minute erlebt, die nun auch jeden äußeren Unterschied zwischen ihr und Soliman auslösche.
    Und ausgelöscht war der Unterschied, ob sie nun annahm oder nicht. Ja, mit der Ablehnung von Solimans Antrag konnte sie sich unstreitig über den Herrscher noch erheben.
    Ganz hatte er sich ihr in die Hand gegeben, und Roxelane . . . schwankte.
    Aber sie verkannte auch nicht den gewaltigen Entschluß, den es Soliman gekostet haben müsse, ihretwegen der Tradition und dem Kanun den Kampf anzusagen. Dadurch habe er zugleich auch die Notwendigkeit ihrer Ziele anerkannt. Unbeirrbares Festhalten am Notwendigen sei jedoch wahres Herrentum. Herrin sei sie nunmehr aus eigenem Recht, und das . .. verdanke sie Soliman. Denn jeder habe sich zu beweisen. Von Soliman aber sei ihr erst die Gelegenheit zur Bewährung gegeben worden. Voll Großmut habe er darauf verzichtet, ihr die dreifache Reiheragraffe der Herrscherin als eine Gnade zu schenken, um sie ihr nun als etwas reichen zu können, das ihr gehöre. Roxelane zürnte Soliman nicht mehr.
    Ganz hatte er sich ihr in die Hand gegeben, und nun schämte sie sich ihres Schwankens von wenigen Sekunden. Endgültig verwarf sie jede dieser Einflüsterungen ihrer Eitelkeit.
    Nicht mehr Mustafa war Schahzadey.
    Nun gingen ihre Kinder, ihre Söhne, allen andern voran.
    Mohammed Solimans Tod war ausgeglichen.
    Plötzlich merkte Roxelane, daß sie aufrecht stand und sprach.
    Sie ernannte den Kislar Aga zu ihrem Vertreter, um mit dem Bostandschi Baschi als dem Beauftragten Solimans vor dem Mufti den Ellevertrag abzuschließen.
    Damit hatte sie ihr Jawort gegeben, und ein allgemeines Alai antwortete ihr.
    „Langes Leben! Langes Leben dem Herrn und der Herrin!“ intonierten die Tschausche.
    Noch zitterte in diesem Zuruf Erregung. Unfaßbares war geschehen. Und nicht nur Saffieje und ihre Schwägerinnen hatten Mühe sich zu überreden, daß alles, was sie sahen und hörten, unwiderrufliche Wirklichkeit sei.
    Dann jedoch war da ein Rauschen, und auf das Rauschen folgte eine Stille.
    Roxelane blickte um sich und erkannte, daß sie die einzige war, die noch stand.
    Selbst Saffieje hatte das Ereignis zu Boden geworfen. Sie, die gekommen war, sich an Roxelanes Sturz zu weiden, kniete nun nach unabweisbarem Gebot wie alle andern — Männer, Frauen, Verschnittene - vor ihr, Roxelane,

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