Roxelane
der Kaiserin.
Kaiserin Roxelane.
Die Kinder einer Kaiserin waren ihre Kinder jetzt - einer Kaiserin wie die eines Kaisers.
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Mit Roxelane hatte auch Ebusuud Effendi gesiegt. Vor ihm, dem neuen Mufti, wurde das Ereignis besiegelt, das der Türkei eine Kaiserin gab. Trotz der scheinbaren Ungeheuerlichkeit kam aber zweierlei den Herrschern zu Hilfe.
Zwar hatten sie stets sorgsam die Kräfte der Tradition bewahrt und sonst nur aus ihnen heraus das Neue entwickelt. Wenn sie sich dennoch in diesem einen Fall, der ihr persönliches Leben betraf, über sie hinwegsetzten - so konnten sie sich dabei auf byzantinische Gedankengänge stützen. Nach der Auffassung von Byzanz verdankte die Kaiserin ihr Diadem genau wie der Kaiser und mit gleichen Rechten allein der Gnade Gottes. Aber auch das türkische Staatsrecht sah bei Unmündigkeit des Padischahs die Walide als Regentin vor, so daß also weder dem Herrenvolk noch gar den Unterworfenen die Frau als Herrscherin etwas Fremdes war.
Ohnehin hatten sich das Reich und die Welt an das Dasein einer Roxelane Sultana längst gewöhnt.
Solimans Herz freilich verlangte mehr. Nun, da er den Schritt getan hatte, den der Kanun seines Hauses verwarf, wollte er sich auch rückhaltlos zu der Frau seiner Wahl bekennen. Als sein ,ehelich Gemahl wie es Kadidscha war dem Propheten“ hatte er um sie geworben. Mit Kadidscha, die als erste das Wort des Propheten, ihres Gatten, vernommen und sich mit ihm vor Allah geneigt hatte, war Roxelane von Soliman verglichen worden, und wie Kadidscha die erste Frau des Islams, so sollte auch Roxelane die Erste, die Unvergleichliche sein.
Eine schwächliche Auskunft wie die einer Ehe zur linken Hand zog er überhaupt nicht erst in Erwägung, wie der Koran sie ebenfalls nicht kannte.
Kaiserin sollte Roxelane sein, wie es die Frauen seiner christlichen Vorfahren von Byzanz in Wirklichkeit gewesen waren.
,Unsere Uns durch Allahs Gnade verliehene Hohe Gemahlin . . .“ nannte er sie in seinen Erlassen - ähnlich wie einst Justinian seine Theodora genannt hatte. In dieser Form gingen die Botschaften von seiner Heirat in alle Welt, an die befreundeten Höfe des Morgen-und Abendlandes und in alle Provinzen.
Im ganzen Reich wurden Freudenfeste anbefohlen. Keinem seiner Millionen Untertanen sollte nach dem Willen des Padischahs das Fest der ehelichen Vereinigung des Herrscherpaares fremd bleiben. Jedermann sollte wissen, daß nunmehr neben dem Kaiser auch eine Kaiserin der Hort und die Zuflucht der Welt sei.
Und so hatte denn Konstantinopel wohl viele Feste gesehen, aber keines wie das Hochzeitsfest Roxelanes und Solimans.
Inmitten vielfarbiger Zelte besiegter Fürsten stand bei Mehterane, dem Quartier der Heeresmusik am Nordende des Hippodroms, auf lazurenen Säulen Solimans Goldbaldachin.
Gegenüber funkelte der Schmuck der verschleierten Frauen, über denen Roxelanes Thron sich erhob.
Zur Rechten und Linken hinter der Erhöhten verharrten die Kiajai Harem mit ihren Damen und der Kislar mit seinen Kammerpräsi-denten und Räten auf der Tribüne, während die Polster der Sultaninnen sich vom Thron aus im Halbkreis zur Brüstung hin senkten. Es gab viele Tribünen; aber diese war die Tribüne der Kaiserin.
Am ersten Tag erschien Roxelane in den juwelenübersäten Gewändern von starrem Brokat, wie sie die byzantinischen Herrscherinnen getragen hatten. Doch aus ihrem Diadem quollen zudem noch die drei Reiherbüschel der türkischen Großherren.
Die Pracht der Geschenke ausländischer Gesandter und der Würdenträger und Statthalter des Reiches übertraf alle je vorher gesehenen Herrlichkeiten anderer Feste. Syrischer Damast und ägyptische Tücher, Musseline und indische Schals, griechischer Battist und venezianischer Samt, mit Edelsteinen gefüllte Tassen und Teller, kristallene Kannen, kunstvolle Uhren, chinesisches Porzellan, arabische Stuten, turkmenische Hengste, äthiopische und ungarische Eunuchen, Mameluken und griechische und kaukasische Mädchen und Knaben. Ebenso zahlreich waren die Spiele.
Zwei hölzerne Schlösser wurden jedes von hundert Schwerbewaffneten wechselseitig verteidigt und angegriffen, bis das eine erobert und verbrannt und viele schöne Knaben und Mädchen davongeschleppt wurden. Den Aufzug der Hochzeitspalmen, dieser verschwenderisch geschmückten Symbole der Fruchtbarkeit und zeugenden Kraft, führten der Janitscharen Aga und die Generale der Reiterei in Person an. Zwischen der Schlangensäule des Hippodroms und Kaiser Julians
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