Rubinroter Schatten - Frost, J: Rubinroter Schatten - Eternal Kiss of Darkness (Night Huntress World/ Cat & Bones Welt 2)
getragen hatten, wagte Mencheres sich zusammen mit Vlad und Kira in die Tempelruinen. Hatte Radje die Zahl der Wachen aus Arroganz oder Paranoia so gering gehalten? Wollte er so das Risiko minimieren, von einem seiner Handlanger verraten zu werden? Oder glaubte er wirklich, Mencheres machte sich so wenig aus Kira, dass er gar keinen ernsthaften Versuch unternehmen würde, sie zu retten?
Hätte Radje nicht ausgerechnet Kira entführt, wäre seine Rechnung womöglich aufgegangen. Allein das Wissen, dass ihr Leben auf dem Spiel stand, hatte Mencheres die Kraft gegeben, das Ritual zur Beschwörung Akens bis zum Ende durchzustehen. Den Augen des Fährmannes war keine Seele verborgen, auch wenn Radje vielleicht nicht einmal wusste, dass ein Ritual existierte, um ihn anzurufen. Nur sehr wenige Vampire verfügten über schwarzmagisches Wissen. Patra beispielsweise hatte nur über derartige Kenntnisse verfügt, weil Mencheres sie ihr vermittelt hatte, als sie noch zusammen gewesen waren… ein Fehler, der ihn teuer zu stehen gekommen war.
Ja, derartiges Wissen behielt man besser für sich. Mencheres sah zum Mond empor. Er würde innerhalb der nächsten Stunde aufbrechen müssen, wenn er noch rechtzeitig zu seinem Treffen mit Radje erscheinen wollte.
Eine Welle vertrauter Energie berührte sein Bewusstsein. Vor zwei Tagen noch hatte er nur einen Vampir auf diese Weise spüren können. Jetzt allerdings, da er einen Teil seiner Macht auf Kira übertragen hatte, war auch sie auf diese Weise mit ihm verbunden.
» Bones ist hier«, verkündete Mencheres.
Vlad zog die Augenbrauen hoch, während er noch einen Wachmann mit Silbermessern an die Tempelmauer nagelte.
» Er muss von weiter südlich aufgebrochen sein als wir. Du hast ihn erst vor zwei Stunden angerufen.«
Traurig und wütend tauchte Kira aus einem der Torbögen auf. » Ich habe sechs Leichen gefunden, aber Jennifer zufolge sind noch mehr Leute umgebracht worden. Die Wachen haben sich abgewechselt, um die Toten nachts im Dschungel zu entsorgen.«
Vlad trieb gerade wieder einem der Wachleute ein Messer durchs Handgelenk. Im Augenblick waren sie noch durch Mencheres’ Macht gelähmt, aber wenn er abgereist war, würden die Messer sie an der Flucht hindern müssen.
» Vampire wie du kotzen mich an«, murrte Vlad. » Wie kann man nur derartig viele Leichen hinterlassen und so riskieren, die Sterblichen misstrauischen zu machen, wenn man nicht aufs Töten angewiesen ist, um an Nahrung zu kommen. Hattest du es jemals mit einem Haufen aufgebrachter Dorfbewohner zu tun, die, mit Fackeln und Mistgabeln bewaffnet, dein Haus niederbrennen wollten und dabei › Tod dem Wampyr! ‹ geschrien haben? Ich schon, und das ist wirklich alles andere als lustig.«
» Ach ja, die alten Rumänen«, erscholl Bones’ Stimme vom Tempeleingang her. » Ein wirklich unvernünftiges Pack.«
» Du hast mir versprochen, dass du dich nicht wieder mit ihm anlegst…«
Das war Cats Stimme gewesen, ihr Tonfall war viel sanfter als der von Bones. Die beiden ignorierend zog Mencheres Kira in seine Arme.
» Ich muss bald aufbrechen. Zusammen mit den dreien bist du hier sicher.«
Ihre grünen Augen blickten ihn durchdringend an. » Ich würde dich ja bitten, nicht zu gehen, weil Radje zu gefährlich ist. Aber du würdest mir doch nur wieder mit den vom Rat geforderten unumstößlichen Beweisen kommen– genau wie ich, als ich dich von meinem Plan überzeugen wollte, mich von Radje entführen zu lassen, stimmt’s?«
» Du bist klug, das habe ich dir schon oft gesagt«, murmelte Mencheres. Ein seltsames Hochgefühl überkam ihn, eine Mischung aus Erregung und Entschlossenheit, die er seit… na ja, eben seit Ewigkeiten nicht verspürt hatte. Er hatte das zweite Gesicht nicht verloren. Das hatten ihm die kurzen Visionen bewiesen, die er von Kira gehabt hatte. Und solange es die gab, hatte er womöglich doch noch eine Zukunft.
Wie war es zu dieser Veränderung gekommen? Durch das Ritual, das er zu Ende gebracht hatte, obwohl es ihn eigentlich hätte umbringen sollen? Oder hatte Kira recht gehabt, und er hatte die Mauer aus Finsternis, die ihm die Sicht auf seine Visionen verstellte, selbst erschaffen? Vielleicht hatte Aken mit seiner göttlichen Berührung die Blockade aufgehoben, als er ihm gezeigt hatte, wo Kira war. Oder er hatte sie bereits selbst aus dem Weg geräumt und es nur nicht gleich gemerkt. Er wusste es nicht. Im Augenblick wusste er lediglich, dass seinem Leben mit Kira nur noch ein
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