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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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Herzen und schob den Verlust ein wenig zur Seite, sodass mehr Raum zum Atmen war.
    »Ich erinnere mich an sie«, sagte er. »Sie war so hübsch. Ich habe sie nur einmal gesehen, an dem Tag, als ihr alle draußen auf dem Rasen standet, aber ich erinnere mich noch an ihr leuchtend rotes Haar und ihr fröhliches Gesicht. Mein Vater war damals ein echtes Arschloch. Er hat mich geschlagen.«
    »Er hat dich geschlagen?«
    »Meistens an Stellen, wo es keiner sah.«
    Ich muss ihn angestarrt haben, als hätte er zwei Köpfe, denn er sagte: »Was ist? Meinst du, nur weil wir Geld haben, kommt so was bei uns nicht vor?«
    »Und was ist mit deiner Mutter?«, fragte ich.
    Er starrte eine Weile schweigend ins Feuer. Wir hatten gerade eine Portion Fischsuppe gegessen, die ich für uns gekocht hatte.
    »Mütter können auf mehr als eine Art verschwinden«, sagte er schließlich. »Meine schläft sehr viel. Manchmal verschläft sie den ganzen Tag. Das heißt, wenn ich bei ihr bin. Wenn ich nicht da bin, schläft sie vermutlich noch mehr. Ihre Schwester, meine Tante Meggie, ist mit ihr auf die Bahamas geflogen, damit sie mal ein bisschen rauskommt.«
    »Als Grand gestorben war, wollte ich auch nur noch schlafen. Vielleicht läge ich immer noch im Bett, wenn die anderen mich gelassen hätten.«
    »Manchmal komme ich mir vor wie eine Waise«, sagte Andy. »Ich meine, ich habe Eltern, aber wo sind sie? Und wenn ich bei ihnen bin, gehen wir uns nur auf die Nerven.«
    Wir verbrachten jeden Tag zusammen, außer Weihnachten. Am 25. ging ich zu Daddy und Stella, aber Andy wollte lieber allein sein.
    »Niemand will Weihnachten allein sein«, wandte ich ein. »Außerdem möchte mein Vater dich kennenlernen.«
    »Ein andermal, meine Süße, okay?«, sagte Andy. »Dieses Jahr will ich ein bisschen schreiben, nachdenken, schlafen und spazieren gehen. Außerdem bin ich nicht allein. Du bist ja nicht so weit weg.«
    Am Abend des Weihnachtstages schlangen wir uns umeinander wie gierige Weinranken. Das Jahr 1970 begannen wir in einen dicken Schlafsack gehüllt auf der Veranda, mit Champagner, der mich in der Nase kitzelte und zum Kichern brachte. Wir kuschelten uns aneinander, suchten uns Sterne aus und gaben ihnen Namen. Wir kifften auch ein bisschen, obwohl ich darauf nicht so versessen war wie Andy; ich mochte den Rauch und die Hitze in meinen Lungen nicht und ebenso wenig die dumpfe Niedergeschlagenheit hinterher.
    So ging es weiter in den Januar hinein. Er und ich aneinandergeschmiegt, um uns gegen die eisige Kälte und die Stürme zu schützen, die draußen tobten. Meist blieben wir im Sommerhaus, Andy wegen des Abenteuers, ich wegen der Ungestörtheit. Wir hielten das Feuer am Brennen, rückten die Möbel nah an den Kamin und trugen mehrere Kleiderschichten übereinander. Wenn wir duschen oder uns aufwärmen wollten, gingen wir in Grands Haus. Im Sommerhaus zogen wir ins Elternschlafzimmer mit dem großen Bett und dem Kamin. Unser Geschäft erledigten wir in einem Nachttopf, den wir dann über die Klippen leerten. Einmal stand ich mit dem leeren Nachttopf in der Hand am Ende des Grundstücks und blickte zum Haus zurück. Ich sah unsere Kinder auf einem makellos gepflegten Sommerrasen herumtoben.
    Andy hatte es offenbar nicht eilig, wieder zur Schule zu gehen. Das fand ich merkwürdig, aber da ich den Kram hingeschmissen hatte, war ich wohl die Letzte, die da nachbohren konnte. Doch er sollte im Juni seinen Abschluss machen, und mittlerweile war es Mitte Januar. Schließlich fragte ich ihn doch. »Wann gehst du eigentlich wieder zur Schule?«
    Wir lagen nackt im Bett, einander zugewandt. Er lächelte. »Ich betreibe private Studien.«
    »Du gehst nicht zurück, stimmt’s?«
    »Hättest du denn was dagegen, dass ich hierbleibe?« Er schob seine Hand zwischen meine Beine, und innerhalb kürzester Zeit hatte ich die Frage vergessen.
    Ein paar Tage später verspürten wir beide das Bedürfnis, uns zu waschen, und so gingen wir gemeinsam hinunter zu Grands Haus. Als wir Hand in Hand durch die vormittägliche Stille schlenderten, kam uns Bud in seinem Auto entgegen. Er fuhr an uns vorbei, ohne uns anzusehen, und sein Mund war so angespannt wie ein Nylontau bei Flut. »Hat wohl verpennt«, sagte ich.
    »Er ist cool«, sagte Andy. »Dieser Blick in seinen Augen. Er könnte ein gefährlicher Typ in einem Film sein, jemand, dem man überhaupt nichts Böses zutraut. Ein Spion oder so.«
    Ich schnaubte. »Bud? Ach was.«
    Während Andy nach oben ins Bad

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