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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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verschwand, ging ich in die Küche, wo ich auf dem Tisch ein Blatt Papier fand, beschwert mit Grands Blauhäher-Pfefferstreuer. Im ersten Moment erkannte ich die Schrift nicht, doch dann sah ich, dass es Daddys war. Er schrieb selten etwas außer einer Einkaufsliste. Seine Schrift war groß und kringelig und wanderte auf dem Blatt schräg nach unten.
    Meine liebe Florine (stand darauf), ich muss Dir was sagen. Aber weil Du so selten hier bist geht das nicht, also schreibe ich Dir. Ich mach mir Sorgen um Dich, und ich will das Du wieder in Grand’s Haus zurückkommst. Ich weiß, wir reden nicht viel, aber ich bin immer noch Dein Vater und Du sollst wissen das ich Dich lieb hab, auch wenn ichs nicht oft sage. Wenn Du nicht allein kommen willst bring den Jungen mit, vielleicht finden wir eine Lösung. Bitte komm und red mit mir.
    Alles Liebe,
    Dein Daddy
    »Oh Daddy.« Ich spürte eine Welle von Zärtlichkeit, als ich seine Schreibfehler sah und die Stellen, wo er mit dem Bleistift so fest aufgedrückt hatte, dass das Papier gerissen war. Wenn er mir einen Brief schrieb, musste ihn wirklich etwas beschäftigen. Vielleicht hatte Stella ihn dazu gedrängt, aber das änderte nichts. Ich war eine schlechte Tochter gewesen. Ich hatte weder an ihn gedacht noch an Grands Haus oder das Brot oder das Stricken oder überhaupt irgendetwas jenseits von Andy und seinem Sommerhaus.
    Als Andy aus dem Bad kam, sagte ich: »Willst du meinen Vater kennenlernen?«
    Er sah mich misstrauisch an. »Wieso? Ist er hier?«
    »Nein. Er möchte, dass wir mal zum Abendessen kommen.« Als ich merkte, dass er am liebsten flüchten wollte, fügte ich hinzu: »Keine Sorge. Stella wird irgendwas Leckeres kochen, und zwar reichlich. Daddy wird nicht viel sagen, aber Stella dafür umso mehr. Wir bleiben nicht lange, zwei Stunden vielleicht. Er will dich einfach nur kennenlernen, mal dein Gesicht sehen.«
    »Er ist nicht gerade ein Hänfling«, sagte Andy. »Wer weiß, was er davon hält, dass ich’s mit seiner Tochter treibe.«
    »Ich glaube kaum, dass das ein Thema sein wird.«
    »Mit Vätern habe ich nicht viel Glück.«
    »Du willst also nicht mitkommen?«
    Als er die leise Schärfe in meiner Stimme hörte, lenkte er ein. »Ich tu’s für dich. Wann denn?«
    »Am besten fragen wir Stella, ob es ihnen heute Abend passt«, sagte ich. »Dann haben wir’s hinter uns.«
    Wir machten uns auf den Weg zum Laden, doch als wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen, sagte Andy: »Ich gehe zurück zum Sommerhaus. Hol mich ab, wenn’s so weit ist. Wir haben fast kein Holz mehr, und ich muss welches holen. Es könnte Schnee geben.«
    Ich sah zum Himmel. Er war so blau wie Daddys Augen. »Na ja, ich hab so ein Gefühl, als ob es bald Schnee gibt«, sagte Andy.
    »Was ist los mit dir?«, fragte ich.
    »Nichts. Ich hab nur das Gefühl, wenn ich kein Holz hole, gibt’s Schnee. Warum abwarten, wenn ich es genauso gut jetzt erledigen und uns damit ‘ne Menge Ärger ersparen kann? Dein Vater fände es doch bestimmt gut, dass ich mich um dich kümmere und dafür sorge, dass du es warm und trocken hast, oder?«
    Ich wusste, dass es nur eine Ausrede war. Aber wir beide hatten unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Meine waren größtenteils gut, seine nicht. Also ließ ich ihn gehen.
    »Bis später«, sagte ich.
    Er gab mir mitten auf der Straße einen schmatzenden Kuss, dann machte er sich auf den Weg zum Wald.
    Ich betrat den Laden. »Ich habe Daddys Zettel gefunden«, sagte ich zu Stella. »Wie wär’s heute Abend?«
    Sie fing sofort an zu strahlen. »Oh, das wäre wunderbar.« Sie beugte sich über die Lebensmitteltheke. »Ich habe gesehen, wie du Andy geküsst hast.«
    »Wann sollen wir kommen?«, fragte ich.
    »Gegen fünf.«
    Ich ging zurück zu Grands Haus. Das neue Jahr war schon nicht mehr ganz so neu, und das rubinrote Glas hatte seine Neujahrsreinigung noch nicht bekommen. Ich nahm alles heraus, wischte die Vitrine, spülte und trocknete sämtliche Teile und räumte sie wieder ein. Ich drückte das Ersatzherz, das Grand bei dem Fest geschenkt bekommen hatte, an mein richtiges und fragte mich, ob wohl je irgendwer das ursprüngliche Herz finden würde, das ich als Pfand für Carlie ins Meer geworfen hatte. Ob es irgendwann irgendwo ans Ufer gespült würde? Und was würde sein Finder wohl denken?
    Gegen vier ging ich rauf zum Sommerhaus. Es dämmerte bereits, aber ich konnte Rauch vom Schornstein aufsteigen sehen. Als ich das Haus betrat,

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