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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
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Hände.
    »Du hast echt lange, schlanke Finger«, sagte Dottie. Sie hielt ihre Hand hoch, und ich legte meine dagegen. Ihre Hand hatte normale Größe, aber ihre Finger waren kurz und dick.
    »Dafür hast du perfekte Bowlingfinger«, sagte ich.
    Daraufhin fing sie wieder an und erzählte, dass sie versuchen wollte, einen Job in der Bowlinghalle zu kriegen, damit sie umsonst üben konnte, wenn die Bahn geschlossen war.
    Wieder ein bisschen Fernsehen. Dann fragte Dottie: »Was hast du eigentlich für Pläne?«
    Ich zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht heiraten. Kinder kriegen.«
    »Hast du jemand Bestimmtes im Sinn?«
    »Vielleicht Bud.«
    »Wie soll das denn gehen?«, sagte Dottie. »Er ist doch ganz vernarrt in Susan.«
    »Hör mal, du hast deine Träume, und ich hab meine, okay?« Mein Gesicht glühte.
    »Reg dich doch nicht so auf.«
    »Du findest das vielleicht idiotisch, aber ich nicht.«
    »Nimm’s dir nicht so zu Herzen.« Dottie stand auf und streckte sich, dann beugte sie das Knie und tat so, als würde sie einen Bowlingball werfen. »Strike!«, rief sie.
    »Nein, stimmt nicht«, sagte ich. »Du hast da rechts einen Pin stehen lassen. Das ist nur ein Spare.«
    Achselzuckend richtete sie sich auf und wandte sich zum Gehen. Ich folgte ihr. Sie zog sich Hose, Stiefel und Mantel an, und als sie die Haustür öffnete, hätte uns der Wind beinahe umgestoßen.
    »Bis dann«, sagte Dottie und schloss die Tür. Sie war kaum zwei Schritte gegangen, da riss ich die Tür wieder auf und rief: »Ich hab mich vertan! Der Pin ist grad umgefallen. Strike!«
    Sie drehte sich um und lächelte. »Dachte ich mir. Dottie Butts macht keine halben Sachen.«
    Ich schloss die Haustür. »Du hast deine Träume«, sagte ich erneut. »Und ich hab meine.« Doch ein Teil von mir wusste, dass sie recht hatte. Ich musste mehr raus. Vielleicht konnte ich es ja sogar wagen, mal meinen eigenen Weg zu gehen, ohne mir Sorgen zu machen, dass jemand umkippte oder Gott weiß wohin verschwand.

39
     
    Am nächsten Morgen packte ich den Pullover in einen kleinen Karton und drückte ihn an meine Brust, während ich damit zum Laden ging. Stella staubte die Regale ab, als ich eintrat, aber sie kam sofort herüber, als sie sah, dass ich mit Ray etwas Geschäftliches zu besprechen hatte. »Darf ich mal sehen?«, fragte sie.
    Ich öffnete den Karton, und sie strich über die Wolle. »Du hast ein Händchen dafür.«
    »Mach noch ein paar«, sagte Ray. »Grands Pullover haben sich immer gut verkauft.«
    »Wie viel hat Grand dafür gekriegt?«, fragte Stella.
    »Naja, nicht viel«, erwiderte Ray. »Aber sie hat gesagt, sie strickt gerne.«
    »Florine muss Geld verdienen.«
    »Ich bezahle sie, Stella, keine Sorge. Das handeln wir unter uns aus.«
    »Schon klar, aber sie braucht einen Job. Sie geht nicht zur Schule, also muss sie etwas tun.«
    »Ich bin hier«, sagte ich. »Und ich höre sehr gut.«
    Die beiden sahen mich an, als wäre ich gerade erst aufgetaucht.
    »Ich habe mir schon was überlegt«, sagte ich. »Da ist das Brot. Und die Pullover bringen ein bisschen was extra. Dann hoffe ich, dass Daddy mich im Frühjahr mit aufs Boot nimmt, und wenn die Sommergäste kommen, kann ich vielleicht bei denen ein bisschen im Haushalt helfen. Hier gibt’s genug zu tun.«
    Ray nickte. »Vielleicht kannst du dich im Sommer hier im Laden nützlich machen. Wir werden sehen.«
    »Das wäre gut«, sagte Stella. »Dann kann sie meine Arbeit übernehmen, und ich kümmere mich um die Sandwiches, oder sie verkauft Eis.«
    »Sie soll mir helfen, Stella, nicht dir«, sagte Ray.
    »Ich weiß, aber ich könnte auch Hilfe gebrauchen.«
    Da sie mich bei ihrer Diskussion darüber, was ich mit meinem Leben anfangen sollte, offenbar nicht brauchten, verließ ich den Laden. Ray konnte mir das Geld für den Pullover später geben.
    Draußen atmete ich eine kräftige Portion Winterluft ein, kalt, klar und schneeträchtig. Die grauen Wellen im Hafen drängten sich dicht aneinander, als wollten sie sich wärmen. Ich dachte über das nach, was ich gerade zu Ray und Stella gesagt hatte. Das meiste davon war nur Gerede. Ich wusste nicht, ob Daddy mich mitnehmen würde, und hatte keine Ahnung, wie viele Pullover ich stricken und wie viele Brote ich backen musste.
    Den Kopf voller halbgarer Pläne, steuerte ich auf den Weg zu, der in das Naturschutzgebiet führte. Der Boden war mit einer dünnen Schneedecke überzogen. Eigentlich wollte ich zu meiner kleinen Lichtung gehen, doch

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