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Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callan Rogers
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Schuhe. Mokassins, so gut wie neu. Dann sah ich auf meine Füße. Der Schnürsenkel an meinem rechten Turnschuh war gerissen, und jetzt prangte ein dicker Knoten auf der Lasche.
    »Du bist ungefähr so alt wie Andy, nicht?«, fragte Mr. Barrington. »Er ist im Dezember 1951 geboren.«
    »Mai 1952«, sagte ich.
    »Ein Frühlingskind«, sagte Mr. Barrington. »Es heißt, Frühlingskinder wären viel umgänglicher als Winterkinder. Hat wohl mit dem Wetter zu tun.«
    Es gab sicher einige, die das mit der Umgänglichkeit bei mir bezweifelt hätten, aber ich schwieg.
    »Dein Vater ist bestimmt schon wieder seit ein paar Monaten auf dem Wasser«, sagte Mr. Barrington. »Wir sind gerade erst angekommen. Irgendwie scheint es jedes Jahr später zu werden.«
    »Ja, er arbeitet«, sagte ich.
    Dann wandte Mr. Barrington sich zu mir und hielt mich mit seinen dunklen Augen fest. »Ich wollte dir sagen, wie leid mir das mit deiner Mutter tut.« Seine Stimme klang wie brauner Samt. »Sie war eine bezaubernde Frau.«
    »Danke.«
    Nachdem er das losgeworden war, kam er wieder auf seinen Sohn zu sprechen. »Andy ist dieses Jahr bei einem Sommercamp von Outward Bound, auf Hurricane Island, ein Stück die Küste hoch. Hast du schon mal davon gehört?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Das ist so eine Art Überlebenstraining am Meer«, erklärte Mr. Barrington. »Aber das habt ihr hier in The Point ja ohnehin rund ums Jahr.« Er lächelte. Ich bemerkte die dunklen, rauen Bartstoppeln an seinem Kinn und wie weich seine Lippen im Gegensatz dazu wirkten. Er hatte einen schönen Mund, etwas, worauf ich bisher bei einem Mann oder einem Jungen noch nie geachtet hatte. Es verstörte mich, dass es mir ausgerechnet bei ihm auffiel. Ich stand auf. »Ich muss gehen, Mr. Barrington«, sagte ich.
    Er erhob sich ebenfalls. »Natürlich. Tut mir leid, dass ich dich aufgehalten habe. Ich muss auch zurück. Barbara und ich feiern dieses Wochenende unseren dreizehnten Hochzeitstag. Die ersten Gäste sind wahrscheinlich schon eingetroffen, während ich mir diesen kleinen Moment der Muße gönne. Tust du mir einen Gefallen?«, fragte er und zwinkerte mir zu. »Komm doch noch mal mit deiner Bande vorbei. Wir könnten wahrscheinlich ein paar Knaller gebrauchen, um etwas Stimmung in den Laden zu kriegen.«
    »Auf Wiedersehen«, sagte ich.
    »Ja.« Er hielt mir erneut seine Hand hin, und ich gab ihm meine. Diesmal drückte er sie jedoch nicht, sondern hob sie an seine Lippen, und ich spürte, wie weich und kühl sie waren, während seine Stoppeln über meine Haut kitzelten.
    Ich wich zurück, als eine Wandertruppe den Pfad herunterkam.
    Mr. Barrington und ich schoben uns an ihnen vorbei. Ich ging vor ihm her, so schnell, wie es möglich war, ohne unhöflich zu wirken. Als wir an der Abzweigung ankamen, sagte er: »Auf Wiedersehen, Florine.«
    »Auf Wiedersehen«, erwiderte ich und lief eilig weiter.
    »Florine«, rief er mir nach, und ich fuhr herum, als hätte er auf mich geschossen.
    »Du bist bezaubernd«, sagte er. »Genau wie deine Mutter.«

19
     
    Carlie kam in diesem Sommer nicht zurück. Der Jahrestag ihres Verschwindens traf mich wie ein Stein ins Herz. Daddy nahm mich während der letzten beiden Wochen vor Schulbeginn mit aufs Boot, zusammen mit Sam. Ich half bei den Ködern, steuerte das Boot oder schob den Hummern Keile zwischen die Scheren, und manchmal saß ich einfach nur da und sah hinaus aufs Wasser. Die wortlose Gesellschaft dieser beiden vertrauten Männer beruhigte mich. Während wir die Tage dort draußen verbrachten, suchte Grand ein paar von Carlies alten Kleidern heraus und nähte mir zusammen mit Ida einen wunderschönen Quilt. Ich wickelte mich abends darin ein und schlief so gut wie lange nicht mehr.
    Nach den Sommerferien 1964 brach für uns das letzte Jahr in der kleinen Dorfschule an. Ab dem Herbst 1965 würden wir in Long Reach die Junior Highschool besuchen. Wir gingen durch die Flure unserer zusammengeschrumpften Schule und hatten Mühe, unser herausgewachsenes Ich der Enge anzupassen.
    Im Januar begannen die Gerüchte um Germaine, Glens Mutter. Alle wussten, dass sie seit fünf Jahren von Ray getrennt war. Alle wussten, dass sie in der Stadt wohnte, zusammen mit einer anderen Frau, Sarah. Aber wer es wagte, Glen gegenüber anzudeuten, seine Mutter wäre eine Lesbe, riskierte eine gebrochene Nase.
    »Das ist sie nicht«, sagte Glen abends auf der Heimfahrt im Bus zu mir. Dicke Tränen kullerten über sein Mondgesicht. Ich bemerkte, dass

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