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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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sind erledigt? murmelte er.
    - Mmm, keine Ahnung … So weit würde ich nicht gehen.
    - Dan, das beruhigt mich. Wir schauten uns lächelnd an.
    - Und wenn schon!, meinte er mit einer wegwerfenden Handbewegung, die all unseren kommenden Scherereien galt. Das ist längst kein Grund, alles zu schlucken!
    - Natürlich nicht. Das habe ich nie behauptet. Aber wir leben gefährlich, wenn du mich fragst.
    - Ah! Was sollen wir auch anders tun! Hab nur ein klein wenig Sinn für Schönheit, und du bist von vornherein geliefert …!
     
    Es ging also darum, in Form zu bleiben. Leider hatte ich, seit ich in einem Büro gelandet war, kaum noch Zeit, mich dem Sport zu widmen. Mir blieben nur die Wochenenden, um ein wenig zu laufen. Ich hoffte, daß das ausreichte, aber ich war mir nicht sicher, und manchmal fragte ich mich, wozu auch, wenn ich durch die Tür ging, ich tänzelte ein wenig auf der Stelle, und Elsie rief mir vorn Fenster aus zu:
    - He, das ist doch das mindeste …!!
    Naja, ich stellte mir vor, daß sie mir das zurief.
    Hermann nahm mich bloß auf den Arm.-
    - So Gott will, Hermann, werde ich in dreißig Jahren noch da sein, und dann will ich dich mal sehen …!
    Aber Gladys verteidigte mich, Gladys war für Vitamine und einen gesunden Körper und fand es jämmerlich, sich gehen zu lassen – andererseits, sie hatte gut reden.
    Wie dem auch sei, in diesen letzten Monaten brummte ich mir eine doppelte Runde auf, und obendrein allein, denn Max begleitete mich nicht mehr, ich fragte mich ohnehin, ob er noch hundert Meter durchhalten würde. Kurz und gut, ich trabte am Gymnasium entlang hinter den Sportplatz, unterstützt von den Anfeüerungsrufen der beiden Mädchen und dem spöttischen Grinsen meines Sohnes, ich versuchte Boden gutzumachen und mich für einige Jahre flottzuhalten, und mein Schweiß spritzte auf diese schonungslose Welt, während der Morgentau in den Ginstersträuchen verdunstete. Das war die beste Gegend, um sich zu schinden, man mußte im Zickzack durch die dornigen Büsche kurven, ein paar Hügel erklimmen und auf der anderen Seite über einen sandigen Untergrund, der unter den Füßen nachgab, wieder hinunter taumeln. Das war die Gegend, in der man Marianne eines Abends aufgefunden hatte, aber ich dachte nicht groß darüber nach und verzog das Gesicht aus einem ganz anderen Grund.
    Am frühen Morgen begegnete einem dort kaum jemand. Das war einer der zahlreichen Vorzüge dieser Stelle – die Sonne haarscharf über den Sträuchern, ein Geruch wie Pfefferkuchen, die labyrinthartig verschlungenen Wege –, und er allein hätte genügt, mich aus dem Bett zu katapultieren, kaum daß der Morgen graute. Mit meinen bequemen Vormittagen hatte es ein Ende, hoch war der Preis für meine Instandhaltung, reichlich amortisiert der meines Weckers, und was für eine Lust ich hatte, aufzustehen! Was es mich kostete, mich aus der Decke zu schälen und meinen Trainingsanzug in einem stillen Halbdunkel anzulegen, während alle Welt schlief – ich fühlte mich schuldig, wenn ich mich dem bisweilen entzog, wundervoll schuldig –, aber wie sehr wurde ich durch die Einsamkeit dieser Gegend belohnt, und wie wohl tat es, sich den Geist im Licht des anbrechenden Tages freizufegen.
    Solche Abende wie jener, den ich mit Elsie verbracht hatte, machten es erforderlich, daß ich meine Puste trainierte. Wir hatten den Rest auf die Zeit nach Bernies Aufbruch verschoben, ich hatte es ihr in ihrem Bademantel und später in ihrem Nachthemd besorgt, und ich hatte den Himmel gepriesen, als sie anschließend eingeschlafen war, denn meine Beine waren wie aus Watte, und ich hätte ihr nicht mehr nachkommen können, ganz gleich, was sie unternommen hätte. Natürlich schlug ich diesen Rhythmus nicht jeden Tag in der Woche an, trotzdem, ich durfte dieses Problem nicht auf die leichte Schulter nehmen und mir einbilden, die Form falle einem in den Schoß und das Herz komme schon klar, wenn man älter wird.
    Ich lief also. Und ich war gezwungen, früh aufzustehen, auch wegen der Hitze, die schnell aufstieg, sobald die Sonne zum Vorschein kam, aber so war ich zu einer vernünftigen Zeit fertig, und ich brachte Croissants mit und Milch und galt für eine Art Held, ein Held mit zerzaustem Haar und dem Duft kalten Schweißes. Im allgemeinen kehrte ich gut gelaunt zurück, mit dem Gesicht eines seligen Trottels aufgrund der ergreifenden Farben der Morgendämmerung, der göttlichen Frische des frühen Tags und was sonst noch dazugehört. Aber

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