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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Bücher geschrieben hatte, und ich versäumte nicht, einige nette Worte an sie zu richten, über ihre Dauerwelle, über ihre Bluse, über irgend etwas, das sie jünger machte, über ihre kleinen bestickten Mokassins.
    - Er erwartet Sie, Dan … Sie können eintreten.
    In ihrer Stimme schwang noch eine Spur von Respekt mit, aber ich hoffte, mit der Zeit werde sich das legen und sie mich so sehen, wie ich wirklich war. Kein erbärmlicher Typ, das nicht. Nur einer, der die Arme hatte sinken lassen.
    In einer der Schubladen ihres Schreibtischs bewahrte sie all die alten Zeitungsausschnitte auf, ich war im Bilde. Ich sagte nichts, aber ich hatte schleunigst einige Fotos von der Wand entfernt, vor allem jenes, auf dem ich wie von einem inneren Feuer beseelt strahlte. Dank einer geschickten Beleuchtung war mein ganzer Schädel mit einer Art Heiligenschein umgeben, meine Augen funkelten, und mein Mund bot sich feucht und weich dar, ein wahres Kalbsgesicht, das ich, als der Verkauf meiner Bücher mehr und mehr zerfiel, bald unerträglich gefunden hatte. Eines Morgens hatte ich dieses lächerliche Porträt in winzige Fetzen zerrissen. Und sie, mit erstickter Stimme, die Armlehnen ihres Stuhls packend:
    - Warum denn …? Also nein, Dan … WARUM …?!
    Vermutlich, so wie ich sie kenne, glaubte sie meinem Schweigen entnehmen zu können, ich wüßte keine Antwort. Meine süße, meine beste, teuerste Andrea, die Leute, die an mich geglaubt haben, sie sind mir die schwerste Last, verstehst du das nicht?
    Trotz alldem sah ich Paul mindestens einmal die Woche. Die Typen, die die Drehbücher in Auftrag gaben, wollten ständig wissen, wie weit ich war. Sie bestanden so hartnäckig auf ihren Vorstellungen, gingen uns dermaßen auf die Nerven, daß wir uns schließlich fragten, warum sie sie nicht gleich selbst schrieben. Hin und wieder erklärte ich mich bereit, eine Szene zu überarbeiten. Verlangten sie mehr, weigerte ich mich verkappt, ich erwog laut, die fälligen Überstunden in Rechnung zu stellen. Man mußte erbittert feilschen. Ohne einen guten Literaturagenten kommt man dabei nicht zu Rande. Paul schlug sich nicht übel. Ich gewährte ihm horrende Prozente auf alles, was ich verdiente, aber alles, was recht ist, er hatte das Geschick, sich dessen im rechten Moment zu entsinnen. Kaum nahm er die Sache in die Hand, atmete ich auf. Er zeigte über eine längere Distanz, was in ihm steckte. Bei mir war das leider nicht der Fall.
     
    - Hör zu, Dan …. sagte er zu mir. Bitte, überleg’s dir …
    Die Hände auf dem Schreibtisch gefaltet, neigte er sich zu mir hinüber, um mir gut zuzureden. Ich stellte fest, daß er in diesen letzten Jahren eine Menge Haare verloren hatte. Fast hätte ich nachgegeben. Aber was er mir da vorschlug, war vollkommen bescheuert. Erneut lachte ich ihm ins Gesicht.
    - Nein, Paul, ich will sie nicht einmal kennenlernen. Schlag dir die Sache aus dem Kopf.
    Verstimmt schnellte er aus seinem Bürostuhl und baute sich entschlossen vor dem Fenster auf, um mit einem Finger den Vorhang zur Seite zu schieben. Ich schloß daraus, daß ihm diese Geschichte wirklich am Herzen lag. Leider konnte das unmöglich klappen. Ich glaubte mich gut genug zu kennen. Er seufzte aus tiefster Seele, zwei-, dreimal hintereinander.
    - Paul, die Putzfrau hat soeben die Scheiben gewienert …
    - Dan, hob er mit halber Grabesstimme von neuem an, ich glaube, die Sache ist wichtig. Es geht dabei um ein enormes Budget, ich hab die Leute hier in meinem Büro sitzen gehabt, und sie wollten dich und niemand anders. Sie sind überzeugt, daß du der Typ bist, den sie brauchen … Dan, die haben uns das auf einem silbernen Tablett präsentiert!
    Ich grinste. Ich war für Geld keineswegs unempfänglich, aber ich verdiente genug für meinen Sohn und für mich, und seit uns seine Mutter verlassen hatte, waren wir nicht schlechter dran. Ich konnte es mir leisten, ein paar Aufträge sausen zu lassen.
    - Du wußtest, daß ich da nicht mitmachen würde. Das ist das einzige, was du nicht von mir verlangen darfst.
    Bei diesen Worten sank er in sich zusammen. Wir standen bereits mit einem Fuß im Licht des Herbstes, und er erschlaffte vor einer untergehenden Sonne, als würde er urplötzlich von einer seltsamen Müdigkeit übermannt. Ich fand es schade, daß wir ein solches Thema angeschnitten hatten, ich fragte mich, worauf er noch wartete, um mir endlich ein Glas anzubieten. Er nahm seine Brille ab und betrachtete sie mit sorgenvoller Miene.
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