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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Ich glaube, wir sollten besser gehen, seufzte ich und wich V. Dolbellos Lächeln aus.
    Es war einiges los. Die Reihen, die im Schatten lagen – eine Art Dach aus Eisenträgern und lackiertem Holz überragte die Ränge, aber nur auf einer Seite der Arena –, waren bereits bis auf den letzten Platz besetzt. Wir gesellten uns zu Hermann und Richard, wo die Sonne erbarmungslos stach, aber letztlich war das gar nichts, verglichen mit dem Verdruß, den mir Dolbello bereitete. Sie hatten ihre Oberkörper entblößt, und ich setzte mich, innerlich fluchend, neben sie. Ich fand es ganz schön dreist, daß sie uns diesen Typen ohne Vorwarnung aufzwang, ich hatte die Hände in den Taschen vergraben, und ich hörte den Kerl witzeln und was weiß ich für einen Unfug erzählen, irgendein dummes Gewäsch. Hermann und Richard tuschelten auf der anderen Seite. Sie hatte wirklich Nerven.
    Ich schloß die Augen und tat so, als überließe ich mich der flimmernden Hitze, aber ich knirschte mit den Zähnen, schluckte stumm meinen Ärger hinunter und wartete auf den Beginn des Spiels. Ich hatte größte Lust, aufzustehen und abzuhauen, ich sagte mir immer wieder, daß mich nichts dazu zwang, die Gesellschaft eines Menschen zu ertragen, der mir derart zuwider war, daß das ein übler Streich war, den ich meiner Seele spielte, nichtsdestoweniger rührte ich mich nicht. Wie immer war alles nicht so einfach.
    Einige Tage zuvor hatte ich ausführlich mit Richard darüber gesprochen. Ich hatte versucht, ihm den gewaltigen Druck der Einsamkeit zu erklären, der mit den Jahren zunehme, und daß Sarah vielleicht jemanden brauche, daß das vielleicht eine Frage des Gleichgewichts sei, nun ja, er war mittlerweile alt genug, solche Dinge zu kapieren. Es war mir zwar nicht gelungen, ihn restlos zu überzeugen, aber zumindest hatte ich seinen Groll ein wenig gemildert, und mir selbst hatte ich den gleichen Vortrag gehalten, obwohl ich größte Mühe hatte, ihn runterzuwürgen. Außerdem, hatte ich ihn beruhigt, ich sag dir, die Zeit arbeitet für uns, weißt du, es sollte mich wundern, wenn diese Geschichte von Dauer ist.
    Leider war am Horizont nicht das geringste Anzeichen von Ermüdung zu sehen, und als mir Richard mit finsterer Miene verkündete, Sarah habe ihn schon zwei-, dreimal mit nach Hause gebracht, hatte ich eine Grimasse nicht unterdrücken können, und in diesem Moment hatte mich die Furcht beschlichen, daß dieses Abenteuer womöglich ein wenig länger anhielt, als wir uns wünschten. Alle waren sie wie Sternschnuppen verblaßt, nur dieses nicht, ich verstand überhaupt nichts mehr. Um ehrlich zu sein, ich fragte mich, ob der Abscheu, den mir Dolbello einflößte, nicht schlicht mit dieser besonderen Behandlung zusammenhing, mit dem Platz, den er in Sarahs Leben erobert hatte. Wenn dem so war, dann tat es mir leid für ihn, daß er das Opfer einer bedauerlichen Ungerechtigkeit war, aber es hatte ihn auch niemand gerufen.
    Die Uhr an der Vorderseite des Dachs, das den Reihen gegenüber so freundlich Schatten spendete, zeigte kurz vor drei. Eine leichte Unruhe mischte sich unter das allgemeine Gemurmel, da man sich dem Anpfiff näherte. Ich wußte nicht, wie die anderen darüber dachten, aber ich hatte den Eindruck, daß die Luft dünner wurde und das Licht greller. Ich fühlte mich weder besonders wohl, noch glaubte ich, daß Vincent Dolbellos Gegenwart gänzlich für die vage Furcht verantwortlich war, die in mir hochkroch.
    Das Licht, bislang weiß, wurde gelb. Wahrscheinlich hatte ich versehentlich zum Himmel aufgeblickt und büßte nun für diese Torheit mit einer vorübergehenden Blendung, ich konnte mir keinen anderen Grund vorstellen. Und so dachte ich nicht daran, mich zu beunruhigen, und versuchte sogar, mich damit abzufinden, denn alles in allem war das nicht unangenehm. Wie durch einen unsichtbaren Wirbel hindurch, der aus heißen Schwaden aufsteigt, erkannte ich nur noch unscharfe und fließende Formen, ein höchst merkwürdiger Effekt. Ich hörte die Pfiffe und den Beifall, ein Zeichen, daß die beiden Teams den Platz betreten hatten, aber die Geräusche selbst drangen nur gedämpft zu mir vor und verloren sich in der Ferne, und darunter mischte sich das seltsame Säuseln eines Luftstroms, der durch die Sträucher pfiff.
    - Was denn für ein Säuseln …?! kicherte ich, der ungeheuren Absurdität meiner Wahrnehmung voll bewußt.
    Als ich meinen Blick auf den Platz richtete, erkannte ich nur grüne und gelbe Flecken, die

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