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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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diesmal begegnete ich Max auf meinem Trainingskurs, und ich mußte auf dem gesamten Rückweg an ihn denken, ich hätte nicht sagen können, ob es schön war oder nicht.
    Ich traf ihn am Rande der Ginstersträucher, wo ich mit den Ellbogen am Körper aufkreuzte, im ersten Moment glaubte ich, es handele sich um eine Vogelscheuche oder ein böses Gespenst. Und ich glaubte, er habe Lumpen an, aber das war nur seine alte Sportkleidung, die ihm auch nicht in Fetzen vom Leibe hing, obwohl man das auf den ersten Blick geschworen hätte. Sein weißes Haar hatte jeden Glanz verloren, seine Haut war grau, er sah aus, als habe das Leben ihn ausgespuckt. Jedesmal, wenn ich ihn sah, hatte ich Lust, den Kopf abzuwenden. Auf irgendeine wundersame Weise war es ihm gelungen, diese Art Grippe loszuwerden, die den Winter über an ihm genagt hatte, er war nicht mehr »krank«, schien jedoch immer noch schlecht in Schuß, ein altes, ans Ufer geworfene Wrack, das unter einer Guanoschicht austrocknet. Er hatte seine Arbeit nicht wieder aufgenommen. Ich ließ ein paar Scheine fallen, wenn ich bei ihm vorbeischaute, er nahm sie und behauptete, ich sei bescheuert, seine Rente reiche vollkommen, brauchst sie mir nur zurückzugeben, antwortete ich darauf, aber das konnte er sich nicht leisten, und er steckte sie ein, ohne noch einen Ton zu sagen, und in diesen Augenblicken fühlte ich mich wieder zu ihm hingezogen, ich sah wieder den Typ, den ich gemocht hatte, und nicht mehr seine jämmerliche Kopie, seinen grotesken Abglanz.
    - He, was treibst du denn hier? fragte ich ihn.
    - Ich wollte ein paar Blumen pflücken, warf er mir an den Kopf.
    Später kehrte ich in aller Ruhe heim, eine Einkaufstüte in einer Hand, mit der ändern ein Croissant verzehrend, die Straßen lagen in der prallen Sonne, und die Leute wanderten durch die angenehme Wärme des Vormittags, und es herrschte nur wenig Verkehr, aber ich bemerkte es kaum, ich war in einer geistigen Verfassung, daß ich dem erstbesten Blinden, der mir in die Quere gekommen wäre, nicht hätte ausweichen können.
     
    Die Tage danach vergingen, und diese Begegnung ging mir aus dem Kopf oder vielmehr – denn ich sollte ganz plötzlich daran zurückdenken, darüber nachsinnen wie über ein vollkommen intaktes Bild, und leider sehr bald –, sie grub sich darin ein, in dem Berg der kleinen täglichen Absonderlichkeiten. Im übrigen sagte ich niemandem ein Wort davon, denn Max war nicht ihr Lieblingsthema, und ich selbst verspürte im ersten Moment nur ein undefinierbares Unbehagen, das ich mir nicht zu erklären vermochte.
    Nur noch achtundvierzig Stunden trennten uns von den Prüfungen. Allmählich machte sich eine gewisse Fieberhaftigkeit in unseren Reihen breit, so sehr, daß niemand mehr etwas sagte, nur das Unerläßliche. Elsie und ich bedauerten sie, und wir vermieden es, sie zu stören, während sie sich auf die letzte Minute den Kopf mit einem Berg von für die geistige Gesundheit unnützen Dingen vollstopften.
    Tagsüber war die Hitze fürchterlich, und es war weit und breit kein Wölkchen zu sehen. Die Sonne knallte gegen das Fenster meines Büros. Ich zog das Rollo runter und planschte im Halbdunkel bis Ladenschluß mit meinen Manuskripten, »Es regnet …« usw. Einige der Dinger waren so schlecht, daß ich sie quer durchs Büro und manchmal sogar in den Flur schleuderte, aber es fand sich immer jemand, der sie mir zurückbrachte, der mich fragte, ob ich etwas verloren hätte. Ich konnte einen ganzen Tag damit verbringen, ohne daß ich auf einen einzigen Abschnitt stieß, der zu retten gewesen wäre, aber vielleicht schnappte ich langsam über, vielleicht verkümmerte nur mein Herz in diesem Büro, wer weiß, vielleicht vernebelte die Szenerie mein Urteil …? Paul zumindest war dieser Ansicht. Er hatte zwei Manuskripte vor meinem Zorn gerettet, die ich bei einer zweiten Lektüre eher gut fand, und ich war erschrocken, was ich getan hatte. Ich war zu ihm gegangen und hatte ihn gebeten, mich von dieser Arbeit zu befreien, er sollte mich ruhig in der Telefonzentrale oder in der Buchhaltung einsetzen oder irgendwoan-ders, wo meine Irrtümer keine tragischen Folgen hätten.
    Er versprach mir, darüber nachzudenken. Er räumte ein, daß das nicht das Gebiet war, wo meine Kräfte voll zur Entfaltung kamen, und sah mich perplex an.
    - Du warst ein wunderbarer Schriftsteller …. seufzte er. Ich ging raus und knallte die Tür zu.
    Ich erzählte Bernie davon, und er gab zur Antwort, daß ich eine

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