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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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einzige, der sich frei in der Bude bewegen durfte, ohne daß er auch nur aufblickte. Ich war der einzige Freund seines Vaters gewesen.
     – Ist deine Mutter da? fragte ich ihn.
    Er begnügte sich damit, auf den Wagen in der Garage zu zeigen. Es wurde langsam dunkel. Er war dabei, die Kette seines Fahrrads zu schmieren.
    Ich fand Sarah im Wohnzimmer, sie lag auf dem Sofa. Ein Stoß Rechnungen war auf dem Boden verstreut.
    - Ich werde eine davon bezahlen, sagte sie zu mir. Ich weiß nur noch nicht, welche.
    - Ich empfehle dir die Stromrechnung. Die Tage werden kürzer …
    - Hm …. vielleicht hast du recht.
    Sie klappte ihre Beine hoch, und ich nahm neben ihr Platz, neigte den Kopf auf die Rückenlehne.
    - Ich war gerade bei Paul …
    - Oh, geht’s ihm gut?
    - Charles Victor Bergen, sagt dir das etwas …?
    Sie stützte sich auf die Ellbogen und blickte mich mit großen Augen an.
    - Soll das ein Scherz sein …?
    Mir war ganz und gar nicht nach Scherzen zumute. Ich wollte wissen, ob dieser Typ in der Lage war, uns derart zu ruinieren, wie er drohte, ob Paul nicht ein wenig verrückt spielte. Sarah kannte Gott und die Welt in diesen Kreisen. Sie war Maskenbildnerin. Sie stand den ganzen Tag vor einem Spiegel.
    - Er braucht nur zu niesen, und die Hälfte des ganzen Berufsstands kann stempeln gehn, verkündete sie mir. Er ist ein Emporkömmling … -Erdöl?
    - Nein, Zucker. Und du kannst mir glauben, Paul hat allen Grund, sich Sorgen zu machen. Und du gleich mit.
    Leicht benommen, sowohl von dem, was sie mir gerade bestätigt hatte, als auch von der Schwere ihres Parfüms, konnte ich nicht umhin, die Augen zu schließen, ich seufzte:
    - Sarah … Hast du noch was zu trinken da …?
     
    Das Jahr, in dem ich sozusagen als Schriftsteller begraben wurde, war auch das Jahr, in dem Franck die Scheidung eingereicht hatte. Finanziell brauchte ich eine Weile, um wieder hochzukommen, doch Paul ließ mich nicht fallen, und dank seiner Hilfe kam ich zu Rande.
    Inzwischen lief der Laden wie geschmiert. Ich arbeitete ziemlich schnell, dennoch steckte ich bis zum Hals in Arbeit, mehr als mir lieb war.
    - Paul, Alter, ich habe nur zwei Hände. Ich bin wie das schönste Mädchen der Welt …
    Die Schleusen standen weit offen, und die Aufträge flössen nur so herein, denn der kleine Dan arbeitete zuverlässig wie eine Wurstmaschine. Diese Art Job barg keine Geheimnisse mehr für ihn. Er produzierte ungefähr zweitausend Seiten im Jahr, ohne sich übermäßig anzustrengen, ohne den geringsten Kopfschmerz. Und wenn er nachts arbeitete, ruhte er sich am nächsten Tag aus.
    Ich dachte selten an die Zukunft, aber wenn mich dieses Thema doch einmal berührte, sah ich nur einen Horizont ohne ein Wölkchen, ich hatte keinerlei Anlaß, mir wegen meines Broterwerbs Sorgen zu machen, denn diese Welt ist nun einmal so, daß man eher dazu neigt, einen guten Profi anzuheuern, als mit einem jungen Schwärmer ein Risiko einzugehen. Nein, Größenwahn war es nicht, wenn ich mich bis zu meinem neunzigsten Lebensjahr fest im Sattel wähnte. Man brauchte sich bloß umzusehen, um sich zu vergewissern.
    Und auf einmal bekam dieses friedliche Bild einen Riß und förderte die unsäglich dreckige Visage von Charles Victor Bergen zutage. Plötzlich erschien das Schreckgespenst der Straße, auf der Paul und ich in einer recht nahen Zukunft landen würden, wenn ich nicht schnell meine Meinung änderte. Denn C. V. Bergen hatte uns tatsächlich in der Hand. Welch ein Gefühl der Ungerechtigkeit überkam mich für den Bruchteil einer Sekunde, welch großartiger Ekel. Herr … Mein heftiges Wimmern macht, daß mir die Haut an den Knochen klebt.
    Sarah ging diesen Abend aus. Sie stieg hoch in ihr Schlafzimmer und überließ mich meinen trübseligen Gedanken, meinen finsteren Bildern. Ich hörte, wie sie Gladys erklärte, es stehe alles im Kühlschrank. Früher hatte Mat die Anweisungen entgegengenommen.
    Wieder draußen, stellte ich mich zu Richard. Ohne ihn anzusehen, steckte ich mir eine Zigarette an. Das Fahrrad stand inzwischen auf dem Kopf. Er brachte die Räder in Schwung, eins nach dem ändern, dann hielt er sie abrupt an, um wieder von vorne zu beginnen. Ich wußte nicht, was er da eigentlich trieb, aber vielleicht wußte er es. Ich hatte das Gefühl, daß das nicht der rechte Augenblick war, um mit ihm über Hermanns Auge zu sprechen.
    - Ich muß dieser Tage noch zwei, drei Worte mit dir reden …. sagte ich bloß.
    Ich schickte mich schon an zu gehen,

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