Rueckkehr nach Abbeydale
überhaupt weh?”
„Nicht so wie die blauen Flecken, die ich mir beim Sturz zugezogen habe”, erwiderte sie trocken.
Silas runzelte die Stirn, und einen entsetzlichen Moment lang rechnete sie damit, daß er sich auch ihre blauen Flecken anschauen wollte. Um so erleichterter war sie, als er die Tube wieder zuschraubte und die Sachen anschließend wieder in den Schrank tat.
„Ich muß zurück ins Büro. Fühl dich inzwischen wie zu Hause. Im Kühlschrank ist etwas zu essen, falls du Hunger hast. Du hast Glück, denn wir bekommen nur einmal im Monat neue Vorräte. Ich bringe sie später mit.”
„Ißt du nicht mit den anderen?” fragte sie, denn plötzlich wollte sie mehr über ihn wissen. Sicher war er sehr einsam. Hatte die Trennung von seiner Frau dazu geführt, daß er nun lieber allein war?
„Normalerweise nicht. Ich bin der Forschungsleiter”, erinnerte er sie. „Meine Mitarbeiter würden sich bestimmt eingeschränkt fühlen, wenn sie mich in ihrer Freizeit auch noch in ihrer Nähe hätten, besonders wenn sie mal Dampf ablassen wollen.”
„Bist du nie einsam?”
Kaum hatte Kate die Worte ausgesprochen, bereute sie sie bereits, denn Silas erwiderte ruhig ihren Blick und sagte: „Daran habe ich mich schon vor langer Zeit gewöhnt.”
Als seine Frau ihn verlassen hat? fragte sie sich unwillkürlich.
Plötzlich sehnte sie sich verzweifelt danach, Cherrys fröhliche Stimme zu hören. Sobald er das Haus verlassen hatte, ging sie in sein Arbeitszimmer und nahm den Hörer ab.
Hier fühlte sie sich wie ein Eindringling, obwohl es keinen Grund dazu gab. Der Raum hatte nämlich keine persönliche Note und ließ keinerlei Rückschlüsse auf Silas’ Persönlichkeit zu.
Ihre Mutter nahm ab und holte sofort Cherry an den Apparat. Kate stellte fest, daß ihre Tochter sie noch gar nicht vermißt hatte, weil sie so beschäftigt war. Aufgeregt berichtete sie, was sie am Vormittag alles gemacht hatte und wie sie ihrem Großvater beim Training mit den Hunden geholfen hatte. Kate erfuhr, daß ihr Vater auch noch einige Welpen besaß, die ein halbes Jahr alt waren und nun ebenfalls abgerichtet werden sollten.
„Grandpa hat mir einen davon gegeben, damit ich ihn abrichte. Und nächstes Jahr, wenn er gut ist, kann ich sogar in der Anfängerklasse mitmachen.”
Kate war erstaunt. Die Welpen waren keine Schoßtiere, sondern sehr wertvolle Arbeitshunde, und es war noch nie vorgekommen, daß ihr Vater irgend jemandem erlaubt hatte, ihm beim Abrichten zu helfen. Soweit sie sich erinnerte, achtete er sogar darauf, was die Hunde fraßen.
„Er sagt, daß ich ein Naturtalent bin”, prahlte Cherry, „und daß es ja auch kein Wunder ist, weil ich eine Seton bin.”
Kate blieb das Lachen im Halse stecken. So ähnlich Cherry ihrem Vater war, hatte sie auch viele Gemeinsamkeiten mit ihrem Großvater. Unter anderem hatte sie ihre Sturheit von ihm geerbt. Ob er es schon gemerkt hatte?
Sie, Kate, war schließlich nicht blind. Mit seinem Angebot an Cherry, den Hund zu trainieren, wollte ihr Vater dafür sorgen, daß sie beide von nun an öfter zu Besuch kamen. Daß er Cherry halbwegs bestochen hatte, machte Kate ihm trotzdem nicht zum Vorwurf, denn sie konnte ihn verstehen. Sie wollte die Beziehung, die sich zwischen den beiden entwickelte, nicht durch ihre bitteren Erinnerungen zerstören. Er liebte Cherry, und Cherry liebte ihn. Wenigstens wird sie ihre Großeltern besser kennenlernen, während ich hier eingesperrt bin, dachte Kate. Den Gedanken daran, daß sie unfreiwillig in unmittelbarer Nähe von Cherrys Vater sein würde, verdrängte sie schnell.
Schließlich erklärte sie ihr, warum sie in Quarantäne bleiben mußte. Als Cherry erschrocken reagierte, versuchte Kate, sie zu beruhigen.
„Es ist alles in Ordnung, Schatz, mach dir keine Sorgen. Grandma und Grandpa werden sich um dich kümmern, und wenn ich nach Hause komme, kannst du mir zeigen, wie gut du deinen Welpen abgerichtet hast. Wir können jeden Tag telefonieren, und wenn Grandpa meine Sachen herbringt, kann er ein Foto von dir mitnehmen.”
Sie plauderte noch ein paar Minuten, bis Cherry wieder so fröhlich wie immer wirkte. Bevor Kate sie darum bat, ihren Vater an den Apparat zu holen, sagte sie: „Ich habe dich sehr lieb, mein Schatz.”
Während sie darauf wartete, daß ihr Vater ans Telefon kam, traten ihr die Tränen in die Augen. Sie versuchte gar nicht erst, sie zu unterdrücken, weil sie ohnehin allein war. Plötzlich hörte sie jedoch
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