Rueckkehr nach Abbeydale
die Stirn. „Dieser Tom Meadows hatte immer ein Auge auf deine Mutter geworfen”, sagte er wütend zu Kate.
„Darf ich deinen Hund streicheln, Grandpa?” fragte Cherry.
Wieder runzelte er die Stirn. Kate wußte natürlich, daß Hunde seiner Meinung nach Arbeitstiere waren und auch so behandelt werden sollten. Um so erstaunter war sie, als er sich dann bückte, um das Tier liebevoll zu streicheln. Seine Hand war knotig. Es war die Hand eines alten Mannes, wie Kate erschrocken feststellte.
„Ja, warum nicht? Sein Name ist Laddie.”
Er hatte seine Hunde immer Lassie, Laddie, Meg oder Skip genannt. Die Tiere, die er ausgebildet hatte, waren immer sehr gefragt gewesen. Soweit sie wußte, hatte er allerdings nie eins an jemanden verkauft, der ihm unsympathisch war.
Cherry bückte sich, um den Hund zu streicheln. „Willst du mit ihm für die Dales-Schau trainieren?” erkundigte sich Kate.
„Nein, mit dem hier nicht. Er ist kein gutes Arbeitstier.” Als ihr Vater ihren erstaunten Gesichtsausdruck bemerkte, fuhr er schroff fort: „Deine Mutter mag ihn, deswegen habe ich ihn behalten. Er schläft im Haus. Ich hätte ihn einschläfern lassen sollen. Wenn ein Hund nicht arbeiten kann, ist er zu nichts nutz.”
Hätte sie nicht den liebevollen Ausdruck in seinen Augen gesehen, als er den Hund gestreichelt hatte, hätte sie ihm geglaubt.
Unwillkürlich fragte sie sich, wie oft ihr früher entgangen war, daß er mit seiner schroffen Art lediglich seine Gefühle überspielte. Entweder hatte sie es nicht wahrhaben wollen, oder sie war noch zu unreif gewesen. Sie hatte ihn für gefühlskalt und hart gehalten und war von zu Hause fortgelaufen, weil sie befürchtet hatte, er würde sie zwingen, ihr Baby zur Adoption freizugeben.
Als er Cherry nun ansah, verriet sein Blick Stolz und Liebe, aber auch Kummer und Bedauern.
„Laßt uns jetzt fahren”, sagte ihr Vater schließlich. „Wenn wir hier herumstehen, geben wir den Leuten bloß Anlaß zum Klatsch. Außerdem wartet deine Mutter schon.”
Kate stellte fest, daß sich im Dorf überhaupt nichts verändert hatte. Vor dem kleinen Postamt, in dem sich auch ein Gemischtwarenladen befand und an dessen Wand Glyzinien rankten, stand noch immer dieselbe Bank wie damals. Sie diente als Treffpunkt für die älteren Dorfbewohner – tagsüber für die Frauen, abends ausschließlich für die Männer. Gegenüber vom Postamt befand sich der einzige Pub im Dorf, das De Burghley Arms. Er war nach dem Anhänger von Wilhelm dem Eroberer benannt worden, dem dieses Land einmal gehört hatte. Die de Burghleys waren entfernte Verwandte des berühmten Ministers von Elisabeth I.
Der Letzte dieses Geschlechts war gestorben, kurz bevor Kate Abbeydale verlassen hatte, und in der Familiengruft der Pfarrkirche beigesetzt worden. Der Sarkophag eines seiner Vorfahren, eines Kreuzritters, befand sich im Seitenschiff, und die anderen de Burghleys, die im Laufe der Jahrhunderte für ihr Land gestorben waren, waren in den farbigen Glasfenstern verewigt.
Kates Vater hatte immer damit geprahlt, daß die Setons genauso lange in den Dales lebten wie die de Burghleys, wenn nicht sogar länger. In der Familie erzählte man sich die Geschichte, daß der erste Seton, ein Räuber von der schottischen Grenze, versucht hatte, eine der De-Burghley-Töchter zu entführen und als Geisel zu halten. Statt dessen hatte er sich jedoch in sie verliebt und bei der Heirat von seinem Schwiegervater das Land erhalten, in dem die Setons seit Generationen als Bauern ansässig waren.
Wenn das wirklich stimmt, war die Mitgift nicht sehr großzügig bemessen, dachte Kate, während ihr Vater den Landrover die schmale graue Straße entlanglenkte, die von dunklen Steinmauern gesäumt war.
Der Grundbesitz ihrer Familie war zwar groß, bestand aber nicht aus dem fruchtbaren, tieferliegenden Weideland, sondern lag so hoch, daß nur Schafe darauf grasen konnten. Im Mittelalter hatten die Setons eine große Herde besessen und waren damit zu beträchtlichem Wohlstand gelangt. In den beiden Weltkriegen und durch den Tod von Kates Großvater war die Herde dann auf wenige Tiere geschrumpft.
Ihr Vater hatte rechtzeitig erkannt, daß die Zukunft der Familie weniger in der Produktion von großen Mengen Wolle lag als in der Zucht von Schafböcken. Seine Schafböcke waren weltbekannt und vielfach preisgekrönt, aber Kate wußte noch aus ihrer Kindheit, daß ihre Eltern große Entbehrungen auf sich genommen hatten, um diesen Ruf zu
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