Rueckkehr nach Glenmara
keine Sorgen machen, schwanger zu werden. Ich will mich nicht auf die natürliche Methode oder wie das heißt einlassen. Ich hab ja gesehen, wie erfolgreich die bei dir war.«
»Jetzt reicht’s.«
»Stimmt aber. Ich seh doch die Angst in deinem Gesicht jeden Monat. Erzähl mir bloß nicht, dass du nicht selber schon mit dem Gedanken gespielt hast.«
»Das entspricht nicht den Vorstellungen der Kirche. Hier geht es um Werte und Entscheidungen. Du solltest nicht …«
»Ich bin sechzehn«, fiel Rosheen ihr ins Wort. »Ich kann
nicht ewig Jungfrau bleiben. Hast du dich denn für einen ganz Bestimmten aufgespart?«
Aileen schwieg.
»Genau.«
»Du weißt überhaupt nichts über mich.«
»Warum erzählst du mir dann nichts?«
»Manche Dinge gehen keinen was an.«
»Meine Rede. Du solltest froh sein, dass ich mich selber drum kümmere. Und du solltest es auch tun. Dann müsstest du nicht jeden Monat zittern.«
»Du bist sechzehn, Rosheen, und solange du unter diesem Dach wohnst …«
»Vielleicht tu ich das gar nicht mehr lange und zieh verdammt noch mal aus.«
»Achte auf deine Ausdrucksweise.«
»Warum achtest du nicht lieber auf das, was rund um dich herum los ist? Mit achtundvierzig muss man nicht so alt sein wie du.«
Eileen widerstand der Versuchung, ihr eine Ohrfeige zu geben. »Du brüllst so laut, dass du dich selber nicht mehr hören kannst.«
Wieder fiel Rosheen ihr ins Wort. Das tat sie immer bei solchen Auseinandersetzungen. »Nein, du kannst mich nicht hören. Nur merkst du das nicht …«
»Das hab ich nicht gemeint …«
»Du sitzt bloß jeden Abend mit deiner Klöppelei da und schaust mich über den Rand deiner Brille hinweg kritisch an.«
»Was redest du da für eine Scheiße?«
»Ausdrucksweise!«
»Sprich nicht in diesem Tonfall mit mir. Ich bin nicht nur deine Mutter, sondern auch ein Mensch. Oder hast du das noch nicht gemerkt?«
»O doch. Aber du führst dich auf, als würde die Mutterrolle dich zur Heiligen und Märtyrerin machen.«
»Das stimmt nicht, und das weißt du auch.«
»Ich weiß bloß, dass ich hier wegwill.«
»Rosheen.«
»Wie oft muss ich dir das noch sagen? Ich heiße Jane.« Sie marschierte aus dem Zimmer, die Treppe hinunter.
»Nein!«, rief Aileen ihr nach. »Du heißt Rosheen. Und wenn du schon unbedingt einen anderen Namen möchtest, könntest du dir wenigstens einen interessanteren aussuchen!«
Als Antwort folgte Türenknallen. Aileen sank gegen die Wand, unter dem Kreuz des leidenden Jesus, und schloss erschöpft die Augen. Aileen erkannte ihre Tochter, die so zornig werden konnte, dass beim Reden Speichelfetzen flogen, kaum mehr wieder. Ihr tat der Hals weh vom Brüllen. Ob die Nachbarn etwas mitbekommen hatten? Ein toller Streit, dachte sie, einer ihrer besten. Zumindest das beherrschten sie ziemlich gut.
Sie begann, die Arme vor der Brust verschränkt, frustriert, aber auch traurig zu schluchzen. Die Kinder konnten sie, abgesehen von ihrem Mann, leichter zum Weinen bringen als irgendjemand sonst.
Ihr Vorsatz für die Fastenzeit war es gewesen, beim nächsten Streit ruhig zu bleiben, mit den richtigen Worten Rosheens Panzer aus Bierflaschen und Pillen zu durchdringen und sich in Toleranz und Geduld zu üben, doch gegen diesen
Vorsatz hatte sie mehr als einmal verstoßen, und nun war Ostern vorbei, ohne jeglichen Fortschritt. Vielleicht würde sie mit den anderen Müttern, die in der Erfüllung ihrer mütterlichen Pflichten versagt hatten, in die Hölle wandern.
Wieder kamen ihr die Tränen. Sie sehnte sich wie in Kindertagen nach ihrer eigenen Mutter, gegen die sie sich als Teenager natürlich auch aufgelehnt hatte, indem sie sich mit Rourke traf. (Ja, ihre Mutter war durchaus hin und wieder aus ihrem Zimmer herausgekommen, um ihr einen Rat zu geben.) Doch leider war sie fünf Jahre zuvor an einer Herzerkrankung gestorben.
Aileen fürchtete, ebenfalls herzkrank zu sein. Manchmal spürte sie Schmerzen in der linken Brust, Stiche wie von kleinen Messern. Eines Tages, dachte sie, würde die Frustration darüber, Rosheens Mutter zu sein, sie noch umbringen.
Wie sollte sie an Rosheen herankommen? Wie locker konnte sie ihr die Zügel lassen? Aileen lag nachts wach, weil ihre Gedanken sich drehten wie die Kreisel, die sie den Kindern während der Sommerferien auf der Dingle-Halbinsel gekauft hatte. Irgendwann musste eine Ablösung erfolgen; sie war nötig und natürlich. Aber konnte sie nicht sanfter geschehen, ohne dass ihr Herz dabei
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