Rueckkehr nach Glenmara
splitterfasernackt die Straße langgelaufen sind?
Und in die Büsche gesprungen sind, weil Mrs. Mullen die Tür aufgemacht hat.
Die Dornen hätt ich fast nicht mehr aus dem Hintern gekriegt.
Weißt du noch, wie …
Sie hatten eine gemeinsame Geschichte und kannten einander in- und auswendig, besser als ihre Verwandten, weil man bei denen Rollen spielen, Erwartungen erfüllen und Kämpfe ausfechten musste. Bernie hatte keine Geschwister, nur Eltern, die sie, ihre Wunschtochter, bis zu ihrem Tod über alles liebten. Aileens Kindheit war weniger schön gewesen. Einmal hatte ihr Bruder sie im Streit ums Radio gegen die Wand geschleudert – er wollte die Fußballberichterstattung hören, sie Musik. Ihre Mutter war nicht aus ihrem verdunkelten Zimmer gekommen. Am Ende, als sich auf Aileens Rücken bereits ein großer blauer Fleck bildete, hatte ihre ältere Schwester den Bruder weggezogen. Im Sommer war der ein ganzes Stück gewachsen, und sie hatten beide seine körperliche Überlegenheit vergessen. Fast wären sie ins Krankenhaus gegangen. Und wie sollen wir das erklären? , hatte ihre Schwester den Bruder gefragt. Sie hat mir ins Gesicht gespuckt . Das stimmte sogar, doch das hätte Aileen natürlich nie zugegeben.
Inzwischen vertrug sie sich mit ihrem Bruder so gut, dass sie sich hin und wieder in den großen Ferien trafen. Sie und Moira waren als Einzige in Glenmara geblieben. Moira, über die sie sich ärgerte und die sie liebte.
Mit Bernie war alles einfacher, mit dieser lebenslangen Freundin, die Aileen nahm, wie sie war, die über ihre Scherze lachte und bei großen und kleinen Problemen Einfühlungsvermögen
bewies. In Gesellschaft von Bernie konnte Aileen sie selbst sein und musste nicht Mutter oder Ehefrau spielen. Aileen brauchte diese Montage mit Bernie.
Als sie das Zimmer betrat, fiel ihr sofort auf, dass der Tisch für zwei, nicht für drei gedeckt war. »Ist sie weg?«
»Kate? Nein. Sie trägt die Zeitung aus.«
»Wenn ich das gewusst hätte …« Aileen half Bernie manchmal beim Austragen und konnte es gar nicht fassen, dass Bernie nicht sie gebeten hatte. Sie kannte doch die Abonnenten!
Bernie schenkte ihr eine Tasse Tee ein. »Es tut ihr bestimmt gut, die Gegend ein bisschen besser kennenzulernen.«
»Warum denn? Sie sagt doch, dass sie bald weiterzieht.«
»Ja, aber der Bus geht erst nächste Woche.«
Das stimmte.
»Die Arme muss zur Ruhe kommen«, erklärte Bernie. »Sie ist schon zu lange unterwegs.«
»Das hört sich an, als wär sie ein streunendes Tier. Gib ihr nicht aus Versehen Fergus’ Hundekuchen.«
»Keine Sorge. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass sie vor was wegrennt.«
»Vor der Polizei zum Beispiel …«
»Sei nicht so misstrauisch. Ich glaube, eher vor Erinnerungen als vor Verbrechen.«
»War ein Scherz«, sagte Aileen, obwohl das nicht ganz stimmte. Allmählich begann diese Amerikanerin ihr auf die Nerven zu gehen. Dass ihre Urgroßeltern in Irland zur Welt gekommen waren, garantierte ihr selbst noch lange keine Aufnahme mit offenen Armen. Sie drängte sich in ihr Leben.
»Sie ist kein schlechter Mensch.«
»Woher willst du das wissen? Wir kennen sie doch gar nicht.«
»Ich fange an, sie kennenzulernen. Sie hat ein gutes Herz und ist hilfsbereit.« Bernie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Zwischen ihr und mir besteht eine innere Verbindung. Wir mögen dieselben Bücher …«
»Wenn ich gewusst hätte, dass sie eine Mitfahrgelegenheit braucht, hätte ich Rourke Bescheid gesagt«, fiel Aileen ihr ins Wort. »Der ist heute Morgen nach Galway gefahren.«
»Daran habe ich nicht gedacht.« Bernie wandte den Blick verlegen über ihre Lüge ab.
Aileen sah Bernie über den Rand ihrer Tasse hinweg an, als sie einen Schluck Tee nahm. Die Distanz zwischen ihnen erschien ihr viel weiter als die Länge des Tischs mit der Damastdecke. Wieso lag die überhaupt darauf? Normalerweise verwendete sie die nur zu besonderen Gelegenheiten wie Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen. Wollte sie die junge Frau beeindrucken? Warum? Für Aileen war die Alltagstischdecke mit dem ausgeblichenen Rosenmuster doch auch gut genug.
Aileen versuchte, auf weniger heikles Terrain auszuweichen. »Sile ist Erste geworden beim feis .«
»Tatsächlich?«, fragte Bernie erstaunt.
»Weißt du nicht mehr? Sie hatte an der Qualifikation teilgenommen.« Daran musste Bernie sich doch erinnern – schließlich war Sile ihr Patenkind. Zugegeben, es hatte sich um keinen ganz großen Wettbewerb gehandelt –
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