Rueckkehr nach Glenmara
aber wann und wo?« Aileen griff nach der Spitzenarbeit auf ihrem Schoß. »Gemeinplätze bringen kein Brot auf den Tisch, oder?«
»Mit der Einstellung bestimmt nicht. Wir haben schon viele Stürme überlebt, da werden wir auch den überstehen«, sagte Oona.
»Genau. Wollen wir endlich anfangen?« Colleen reichte Kate Nadel und Faden. »Häkelspitze ist leichter zu lernen, also beginnen wir damit. Schauen Sie, es geht folgendermaßen …« Die Nadel bewegte sich auf und ab, anfangs noch langsam, dann immer schneller. »Fürs Erste brauchen uns die Rahmen und Kissen nicht zu kümmern. Die verwenden wir hauptsächlich bei Klöppel- oder Applikationsspitze.«
Kate versuchte, Colleens Bewegungen nachzuahnen, doch der Faden verhedderte sich sofort. »Gibt’s ein Buch, in dem ich mir das noch mal in Ruhe anschauen kann?«
»Ein Buch? Du gütiger Himmel, nein. Wir haben’s von unseren Großmüttern gelernt und die von den ihren. Diese Kunst wird von Generation zu Generation weitergereicht seit der Zeit, in der wohlhabende irische Damen sie vom europäischen Festland mitbrachten und hier Schulen fürs Klöppeln einrichteten, um den Leuten während der großen Hungersnot zu helfen«, erzählte Colleen. »Man lernt durchs Zusehen und Üben. Machen Sie sich keine Gedanken über mögliche Fehler. Sie können immer noch mal von vorn anfangen.«
»Die handgemachte Spitze kommt aus der Seele, hat meine Oma gern gesagt«, fügte Oona hinzu. »In puncto Qualität reicht die maschinell gefertigte nicht an sie heran.«
»Und welche Arten machen Sie?«, erkundigte sich Kate.
»Fragen Sie lieber, welche nicht. Es gibt Reticella, Nadelspitze, Klöppelspitze, Applikationsspitze, Schiffchenspitze, Loch- oder Wäschespitze, Häkelspitze, Strickspitze und Tüllspitze mit ihren jeweiligen regionalen Unterarten«, erklärte Colleen. »Ich mag Nadelspitze am liebsten – das ist
die feinste Technik, unsere Spezialität -, obwohl ich auch die Applikationsspitze sehr hübsch finde, besonders bei Kissen. Man kann Bordüren oder Einsätze oder ganze Kleidungsstücke aus Spitze machen, doch wir konzentrieren uns auf Verzierungen. Die Menschen mögen Dinge für den täglichen Gebrauch.«
»Zum Beispiel Wäsche, das heißt Tischdecken, Handtücher und Ähnliches«, führte Bernie aus. »Früher haben wir auch Tauf- und Kommunionkleider gemacht, doch auf dem Gebiet ist die Nachfrage deutlich zurückgegangen. Heutzutage bleiben nicht mehr so viele junge Leute in den Dörfern.«
Kate staunte, wie geschickt Colleens Hände über die Fäden flogen. Die Frauen schienen sich über das Interesse der jungen Frau zu freuen.
»Was machst du denn da?«, fragte Aileen unvermittelt. »Als Bordüre funktioniert das nicht; es ist Materialverschwendung.«
»Ich weiß«, sagte Colleen. »Ich will Kate nur die Technik demonstrieren. Am Ende kann ich’s ja wieder auftrennen.«
Kate versuchte noch einmal, das nachzumachen, was Colleen ihr zeigte. Der Faden widersetzte sich ihren Bemühungen. »Und ich dachte, ich hätte vom Nähen gelenkige Finger«, seufzte sie frustriert.
»Das ist etwas völlig anderes«, erklärte Aileen. »Die Fähigkeit lässt sich nicht unbedingt für diese Tätigkeit nutzen.«
»Probieren geht über Studieren«, meinte Bernie. »Ich wusste gar nicht, dass Sie nähen, Kate. Was denn?«
»Früher mal«, antwortete Kate und hielt ein Fadenknäuel hoch, das einem ausgefransten Spinnennetz ähnelte. »So kann das nicht richtig sein.«
»Der Ansatz ist gar nicht so schlecht.« Colleen führte ihr die Hände. »Ganz locker bleiben. Sehen Sie? Jetzt wird allmählich ein Muster draus, ein Blütenblatt.«
Kate ließ die Finger darübergleiten.
»Es kommt nur darauf an zu wissen, an welchem Faden man ziehen muss«, sagte Moira.
Kate lachte über sich selbst. »Ich komme mir so ungeschickt vor.«
»Am Anfang geht das jedem so. Sie müssen Ihren eigenen Rhythmus finden, das ist alles«, tröstete Bernie sie.
»Meine Oma hat immer gesagt, die Nadel bewegt sich wie ein Huhn, das Körner vom Boden aufpickt«, erzählte Oona.
»Meine hat sie mit einem geschickten Ehemann verglichen«, verriet Colleen.
»Deine prüde Mutter? Nie und nimmermehr!«, rief Oona aus.
Kate und die anderen kicherten. »Ein geschickter Ehemann? Gibt’s so was überhaupt?«, fragte Aileen.
»Frag Bernie«, sagte Moira. »Um ihre Ehe haben sie alle beneidet.«
»Vielleicht liegt der Schlüssel darin, keine Kinder zu haben«, meinte Aileen.
Schweigen. Kate
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