Rueckkehr nach Glenmara
an einem solchen hätte Aileen selbst teilgenommen, statt zu Hause auf Rosheen aufzupassen. (Auch danach hätte Bernie sich
erkundigen können. Sie wusste doch, wie schwierig Aileens Verhältnis zu ihrer Tochter im Moment war.)
»Das feis , richtig«, meinte Bernie geistesabwesend »Wird Rosheen um den Titel von Glenmara tanzen?«
»Sie hat sich aufs Zechen verlegt.«
»Stimmt leider. Ich hab sie im Ort gesehen.«
»Sicher beim Rauchen. Sie sorgt dafür, dass ihre Lunge so schwarz wird wie der Name unserer Familie.«
»Wirklich so schlimm?«
»Schlimm genug.«
»Sie ist so gut wie erwachsen.«
»Das behauptet sie auch. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn sie bald auszieht. Dann hätten die ewigen Streitereien ein Ende.«
»Sie weiß nur nicht, wie sie dir ihre Liebe zeigen soll.«
»Ist umgekehrt genauso. Wir wollen beide immer das letzte Wort haben. Aber mir als Mutter steht das zu. Außerdem hat sie einfach nicht recht. Und sie gibt Fehler nicht zu. Lieber schreit sie sich die Lunge aus dem Hals.«
»Kommt mir irgendwie bekannt vor.« Bernie lächelte wissend.
Aileen schüttelte den Kopf. »Sie ist viel schlimmer als ich damals in ihrem Alter.«
»Angeblich werden die nachfolgenden Generationen immer größer, möglicherweise wächst auch ihre Streitsucht.« Bernie stand auf, um aus dem Fenster zu schauen.
»Erwartest du jemanden?«
»Ich dachte, Kate wäre zum Tee wieder da.«
Kate. Kate. Kate. Aileen kam sich vor wie in der Grundschule, wo sie um die beste Freundin kämpfen musste. Der
Montagnachmittag gehörte ihr und Bernie, sonst niemandem. »Mach dir keine Sorgen.«
»Die Straßen sind schmal.« Auf Bernies Gesicht lag der gesprenkelte Schatten des Spitzenvorhangs.
»Wir fahren doch auch die ganze Zeit drauf, ohne dass uns was passiert«, meinte Aileen.
»Es könnte aber was sein«, widersprach Bernie und setzte sich unruhig wieder.
»Nein, nein.« Aileen wusste genau, worum es ging. Kate ist nicht sie , hätte sie am liebsten gesagt. Sie ist nicht Saoirse.
Bernie sah Aileen ziemlich lange an, als ahnte sie, was diese dachte. »Dein Tee wird kalt«, sagte sie und schenkte ihr nach.
BILD NEUN
Schmutzige Wäsche und Empfängnisverhütung
A ileen gelang es nicht sofort, Rosheens Tür zu öffnen, weil auf der anderen Seite stapelweise Kleider lagen. Sie hatte ihr verboten, neue Sachen zu kaufen, bis sie wenigstens wieder den Teppich saugen konnte – ohne Erfolg -, und es dann mit Drohungen und Humor versucht.
Aileen drückte noch einmal gegen die Tür. Sollte sie sich einen Rammbock besorgen? Oder sich geschlagen geben und die Kleidung vor der Tür stapeln, von wo aus sie den Rest des Hauses überfluten würde? Sie sah auf ihre Uhr. Bald begann das Treffen der Spitzenklöpplerinnen bei Bernie.
Ein letzter Versuch, und endlich ging die Tür auf. Aileen stolperte ins Zimmer und sprang, den Wäschekorb auf der Hüfte balancierend, über einen Haufen Pullover und Stiefel. Sie schüttelte den Kopf. Heute war es besonders schlimm. Sie riss ein Blatt von Rosheens Notizblock, holte einen Stift von ihrem Schreibtisch und schrieb ein einziges Wort darauf: Aufräumen!
Aber wo sollte sie den Zettel hinlegen? Viele Möglichkeiten blieben ihr nicht. Der Frisiertisch mit den offenen Lidschatten-, Eyeliner- und Lipgloss-Tiegelchen schied aus. Das Gleiche galt für den Schreibtisch mit den Stapeln halb
vollendeter Hausaufgaben und kaum jemals aufgeschlagener Bücher.
Aileen würde es mit der Kommode versuchen. Sie legte vorsichtig die saubere Wäsche ab, um wie bei Jenga, Rosheens Lieblingsspiel aus der Kindheit, das fragile Gleichgewicht der Haufen nicht zu zerstören. Aileen glaubte, die Aufgabe erfolgreich gemeistert zu haben, doch in dem Moment, als sie der Kommode den Rücken zukehrte, rutschte der Stapel auf den Boden. Sie fluchte leise vor sich hin, spielte mit dem Gedanken, ihn einfach zu lassen, wo er war, doch das hätte die Niederlage bedeutet. Sie besaß einen so starken Hang zur Ordnung wie Rosheen zum Chaos – eine ihrer vielen Gegensätzlichkeiten, auch wenn immer wieder Leute die Ähnlichkeit zwischen ihnen bemerkten. Rosheen erachtete das nicht als Kompliment, und Aileen fragte sich, wie besagte Leute diese Ähnlichkeit unter dem Make-up, den Tätowierungen und Piercings ihrer Tochter erkennen konnten.
Sie mühte sich ab, die (größtenteils unleserlichen) Gedichtzeilen, die Rosheen gleich neben den Postern von Rockbands und Glitzersternen an die Wände geschrieben hatte,
Weitere Kostenlose Bücher