Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
Vom Netzwerk:
entzweigerissen wurde? Ihre Familie hatte keine Ahnung, wie Aileen sich fühlte und selbst sah. Interessierte sie das überhaupt? Für sie war sie die Köchin, die ständig Nörgelnde und sich Sorgen Machende, die Chauffeurin, die Krankenschwester, die Waschfrau und Buchhalterin. Sie ahnten nicht, dass sie einmal die besten Noten der Klasse gehabt hatte und eine ausgezeichnete
camogie -Spielerin gewesen war. Dass die Familie Teil von ihr war und umgekehrt. Und zwar für immer.
    Sie holte tief Luft. Zum Glück hatte Rourke, der gerade auslieferte, nichts von dem lauten Streit mitbekommen. Und ihre jüngste Tochter, die zwölfjährige Sile, die nichts gegen ihren Namen hatte und sie, wäre sie zu Hause gewesen, in den Arm genommen und getröstet hätte, übernachtete bei einer Freundin im nächsten Ort.
    Aileen war allein in dem Haus, in dem sie fünf Kinder großgezogen hatte. Wie würde es sich anfühlen, wenn sie endgültig weg wären? Was würde sie tun? Du hast schon fast deine Freiheit wieder , sagten ihre Freundinnen. Wenn einer der Jungs eine Familie gründete oder Rosheen unvorsichtig war, würde sie vielleicht bald Großmutter. (Auf die Pille konnte man sich wie auf die meisten anderen Dinge im Leben nicht hundertprozentig verlassen, oder?) Aileen beschloss, nicht weiter nachzugrübeln und lieber zu beten. Wahrscheinlich verdrehten die Heiligen oben im Himmel die Augen: Die schon wieder. Sie stellte sich ihr Stockwerk in Gottes großem Warenhaus vor: die Abteilung der Heiligen, mit einer eigenen Tür für Leute wie sie, verzweifelte Mütter und Jammerlappen.
    Ein Teil von ihr hätte Rosheen am liebsten den Hals umgedreht – das verächtliche Grinsen, das Augenrollen, die Gesten der Verachtung, die Kälte. Dieser Teil konnte es sich durchaus vorstellen, dass ihre Tochter auszog, und wünschte es sich sogar. Ohne die ständigen Reibereien wäre es ihr sicher schwergefallen, sich das auszumalen. Doch ein anderer Teil von ihr sehnte sich danach, die Kleine in den Armen zu halten und ihr ein Wiegenlied zu singen. Oho oho oho mo
leanbh/Oho mo leanbh is codail go foill/Oho, oho oho mo leanbh/ Mo stoirin ina leaba ina chodladh gan bron. So lange schien ihr Rosheens Babyzeit noch nicht her zu sein, als sie stundenlang weinte und gegen die Welt wütete, schon damals, bis sie am Ende, das Gesicht an Aileens Hals gedrückt, einschlief.
    Die Jahre waren so schnell vergangen: Rosheen auf ihrem Schoß, mit den Märchen der Gebrüder Grimm in der Hand; Rosheen im Schulchor, Gesicht und Stimme engelsgleich, Flügelchen auf dem Rücken, ein glänzender Heiligenschein über dem Kopf; Rosheen vor Freude kreischend auf dem Fahrrad, als es ihr zum ersten Mal gelang, das Gleichgewicht zu halten.
    Rosheen hatte das mit dem Ausziehen bestimmt nicht ernst gemeint. Wie sollte sie allein leben?
    Aileen schloss die Zimmertür hinter sich, als wollte sie einen Tatort absperren. Plötzlich erschienen ihr die Wände des Hauses hauchdünn, nicht stark und weit genug für das Leben, das sie und Rourke darin aufzubauen versucht hatten. Sie schlüpfte in einen Pullover, holte den Korb mit der Spitze und dem Kuchen für das Treffen und ging hinaus. Draußen schaute sie in die Richtung, in die Rosheen ihrer Meinung nach verschwunden war. Keine Spur von ihr. Sie war immer schon schnell und wie ihre Mutter die Beste im camogie gewesen, nahm jedoch nicht mehr an Wettbewerben teil. Sie machte so vieles nicht mehr. Die Schatten wurden länger; die Dunkelheit brach herein. Ihre Tochter entglitt ihnen, entfernte sich weiter und weiter von zu Hause, von ihr.

BILD ZEHN
    Die Spitzenklöpplerinnen
    A ls Kate eintrat, war das Treffen bereits in vollem Gange. Fünf Frauen saßen am Tisch und tranken Ale, jede mit einem Kissen auf dem Schoß, darauf ein Geflecht aus feinen, von Klöppeln und Nadeln gehaltenen Fäden.
    »Da sind Sie ja«, begrüßte Bernie sie. »Setzen Sie sich doch zu uns.« Sie holte einen Teller und stellte ihn auf den Platz neben Colleen. »Wir sind mit dem Essen schon fertig, aber ich habe Ihnen was aufgehoben, geräucherten Lachs von Colleens Mann. Der schmeckt prima.«
    »Räucherlachs kennt man erst, wenn man welchen von Finn probiert hat«, pflichtete Oona ihr bei.
    Colleen, deren silbergraues Haar und gelassener Gesichtsausdruck ihr ein weises Aussehen verliehen, klopfte auf die Sitzfläche des Stuhls neben sich. »Nehmen Sie Platz«, lud sie Kate ein. »Vielleicht lernen Sie ja noch was.«
    »Bestimmt – aber wahrscheinlich ist

Weitere Kostenlose Bücher