Rueckkehr nach River's End
wurde.«
»Er war in Schlägereien verwickelt?«
»Ständig. Er war gewalttätig und provozierte Gewalt. Während der ersten fünf Jahre kam er mehrmals in Einzelhaft. Außerdem war er kokainabhängig und fand innerhalb des Gefängnisses Mittel und Wege, um diese Abhängigkeit zu befriedigen. Im Herbst 1982 musste er wegen einer Überdosis behandelt werden.«
»Absicht oder Unfall?«
»Das ist bis heute ungeklärt, obwohl der Therapeut zu Unfall tendierte. Tanner ist Schauspieler, und zwar ein guter.« Ditermans Augen blieben ausdruckslos, aber Noah ahnte, daß er einen scharfen Verstand besaß. »Mein Vorgänger vermerkte mehrmals, daß Tanner schwer zu durchschauen wäre. Er spielte immer die Rolle, die seinen Zielen gerade am dienlichsten war.«
»Vergangenheitsform?«
»Ich kann Ihnen nur sagen, daß er sich in den letzten paar Jahren angepasst hat. Seine Arbeit in der Gefängnisbibliothek scheint ihn auszufüllen. Er bleibt für sich, soweit das möglich ist. Er meidet Konfrontationen.«
»Er hat mir gesagt, daß er an einem inoperablen Gehirntumor leidet. Tödlich.«
»Anfang des Jahres klagte er über starke, wiederkehrende Kopfschmerzen, er sah doppelt. Der Tumor wurde entdeckt, Untersuchungen durchgeführt, und die Ärzte sind allgemein der Ansicht, daß ihm ungefähr noch ein Jahr bleibt. Wahrscheinlich eher weniger.«
»Wie hat er es aufgenommen?«
»Besser, als ich es an seiner Stelle getan hätte. Es gibt übrigens Einzelheiten in seiner Akte bezüglich seiner Betreuung und Behandlung, die ich Ihnen nicht mitteilen darf, da ich dafür nicht nur seine Genehmigung sondern auch die anderer Stellen benötige.«
»Falls ich mich dazu entscheide, das Thema weiterzuverfolgen, ihn zu interviewen, ihm zuzuhören, bin ich sowohl auf Ihre Zusammenarbeit als auch auf seine angewiesen. Ich muss Namen, Daten, Ereignisse wissen. Sogar Meinungen. Wären Sie dazu bereit, mich zu unterstützen?«
»Ich werde mit Ihnen zusammenarbeiten, soweit es mir möglich ist. Ehrlich gesagt, Mr. Brady, würde ich die ganze Geschichte gern selbst erfahren. Ich war damals schrecklich in Julie MacBride verknallt.«
»Wer war das nicht?« murmelte Noah.
Er be schloss , in San Francisco zu übernachten, und nachdem er sich in seinem Zimmer mit Blick auf die Bucht eingerichtet hatte, bestellte er sich etwas zu essen und baute seinen Laptop auf. Sobald er sich ins Internet eingeklickt hatte, suchte er nach neuen Informationen über Sam Tanner.
Für einen Mann, der seit zwei Jahrzehnten hinter Gittern hockte, ohne ein einziges Interview zu geben, stieß er auf eine Flut von Material, darunter Hinweise auf verschiedene Bücher über den Fall, auch unautorisierte Biographien sowohl über Sam als auch über Julie. Ein paar davon standen in Noahs Bücherschrank, und er nahm sich vor, sie noch einmal zu lesen.
Er fand nichts, was besonders aktuell gewesen wäre.
Später verzehrte Noah seinen Burger und markierte mit einer Hand Bereiche, mit denen er sich noch in Ruhe beschäftigen wollte.
Die Fotos, die auf dem Bildschirm erschienen, kannte er bereits. Eins war von Sam, unglaublich attraktiv, und der strahlenden Julie. Beide lachten glücklich in die Kamera. Ein weiteres von Sam in Ketten, wie er während der Verhandlung aus dem Gericht geführt wurde, mitgenommen und lethargisch.
Beide Männer, dachte Noah, leben im Körper dieses berechnenden Häftlings mit den kalten Augen. Wie viele andere Seiten würden sich ihm noch offenbaren?
Das war der Punkt, so musste Noah zugeben, der ihn so unwiderstehlich anzog. Wer lebte hinter diesen Augen? Was war es, das von einem Mann Besitz ergriff und ihn dazu brachte, die Frau, die er zu lieben behauptete, die Mutter seines Kindes, abzuschlachten? Das zu zerstören, von dem er geschworen hatte, daß es ihm alles bedeute!
Drogen? Sie waren Noahs Ansicht nach keine ausreichende Erklärung. Und nach Meinung des Gerichts ebenfalls nicht. Zwar hatte sich die Verteidigung während ihres Plädoyers auf Sams Drogenkonsum berufen und versucht, die Strafe aufgrund mildernder Umstände so niedrig wie möglich zu halten, auf das Urteil hatte diese Strategie jedoch keinen Einfluss gehabt.
Die Brutalität des Verbrechens hatte alle anderen Erwägungen in den Schatten gestellt. Und natürlich die mitleiderregende Zeugenaussage der vierjährigen Tochter des Opfers.
Zwanzig Jahre bis lebenslänglich, die ersten fünfzehn ohne Aussicht auf Bewährung.
Noah hatte nicht vor, sich als Richter oder
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