Rueckkehr nach River's End
gedankenverloren aus. »Ihr Buch hat mir gefallen«, sagte er einfach. »Außerdem konnte ich der Ironie unserer Verbindung nicht widerstehen. Sie erschien mir fast wie ein Zeichen. Ich gehöre nicht zu den armen Seelen, die hier drinnen zu Gott gefunden haben. Gott hat mit Orten wie diesem nichts im Sinn. Er kommt nicht hierher. Aber es gibt das Schicksal, und es gibt ein Timing.«
»Wenn Sie mich als Ihr Schicksal betrachten wollen, okay. Aber was meinen Sie mit Timing?«
»Ich sterbe.«
Noah ließ den Blick kühl über Sams Gesicht schweifen. »Auf mich wirken Sie ziemlich gesund.«
»Gehirntumor.« Sam tippte sich mit einem Finger an den Kopf. »Inoperabel. Mit etwas Glück geben mir die Ärzte ungefähr noch ein Jahr - wenn also alles gutgeht, sterbe ich in Freiheit und nicht hier drinnen. Daran arbeiten wir gerade. Sieht ganz so aus, als ob das System zu dem Schluss gekommen ist, daß ich nach zwanzig Jahren sowieso tot bin.«
Der Gedanke schien ihn zu amüsieren, und er lachte in sich hinein. Der Klang ermutigte Noah nicht dazu, einzustimmen. »Man könnte sagen, daß ich eine neue Strafe absitzen muss , diesmal kurz und ohne Aussicht auf Bewährung. Wenn Sie also interessiert sind, müssen Sie schnell arbeiten.«
»Haben Sie denn dem, was im Laufe der letzten Jahre gesagt, gedruckt und ausgestrahlt worden ist, etwas Neues hinzuzufügen?«
»Möchten Sie das nicht selbst herausfinden?«
Noah klopfte mit einem Finger auf den Tisch. »Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen.« Er stand auf. »Ich lasse von mir hören.«
»Brady«, sagte Sam, als Noah bereits zur Tür ging. »Sie haben mich nicht gefragt, ob ich meine Frau getötet habe.«
Noah drehte sich um, sah ihm direkt in die Augen. »Warum sollte ich?« fragte er und gab dem Wärter ein Zeichen.
Sam lächelte leicht. Er fand, daß das erste Zusammentreffen gut gelaufen war. Für ihn bestand kein Zweifel daran, daß er Frank Bradys Sohn wiedersehen würde.
Noah saß in Direktor Ditermans Büro, überrascht und ein wenig geschmeichelt, daß dieser seiner Bitte um ein Treffen so unbürokratisch nachgekommen war. Hollywood hätte die Rolle des Leiters eines der berüchtigtsten Gefängnisse des Landes kaum mit George Diterman besetzt. Mit seinem sich lichtenden Haarschopf, der kleinen Statur und den runden Brillengläsern in einem schwarzen Gestell wirkte er wie ein Angestellter aus einem mittelgroßen Steuerbüro.
Er begrüßte Noah mit festem Händedruck und einem überraschend charmanten Lächeln. »Ihr erstes Buch hat mir sehr gefallen«, setzte er an, während er sich wieder hinter seinem Schreibtisch niederließ. »Und derzeit verschlinge ich gerade das zweite.«
»Danke.«
»Darf ich annehmen, daß Sie Informationen für Ihr drittes Werk sammeln?«
»Ich habe gerade mit Sam Tanner gesprochen.«
»Ja, das ist mir bekannt.« Diterman faltete seine kleinen, gepflegten Hände auf der Schreibtischkante. »Ich habe Ihr Gesuch gebilligt.«
»Weil Sie meine Arbeit bewundern, oder wegen Tanner?«
»Sowohl als auch. Seit fünf Jahren bekleide ich hier diese Position. Während dieser Zeit hat sich Tanner wie ein vorbildlicher Häftling verhalten. Er geht Arger aus dem Weg, und mit seiner Arbeit in der Gefängnisbibliothek sind wir zufrieden. Er befolgt stets die Regeln.«
»Rehabilitiert?« Noah legte gerade genug Zynismus in seine Stimme, um Diterman erneut lächeln zu lassen.
»Das kommt auf die Definition an, die Sie bevorzugen - die der Gesellschaft, des Gesetzes oder dieser Einrichtung. Jedenfalls kann ich Ihnen sagen, daß er irgendwann beschlossen hat, seine Zeit sauber abzusitzen.«
Diterman nahm die Hände auseinander, drückte die Finger gegeneinander und faltete sie dann wieder. »Tanner hat mich dazu ermächtigt, Ihnen Einblick in seine Unterlagen zu gewähren und offen mit Ihnen zu sprechen.«
Das geht ja schnell, dachte Noah. Nun gut. Schließlich hatte er lange genug darauf gewartet, mit der Arbeit an seinem
Buch beginnen zu können, und er hatte ebenfalls vor, umgehend zur Sache zu kommen. »Warum, Direktor, sprechen wir dann nicht offen über den Häftling Tanner?«
»Aus den Unterlagen geht hervor, daß er Anpassungsschwierigkeiten hatte, als er hierher kam. Es gab eine Reihe von Zwischenfällen - Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Wärtern, zwischen ihm und anderen Insassen. Häftling Tanner verbrachte einen großen Teil des Jahres 1980 auf der Krankenstation, wo er wegen einer Reihe von Verletzungen behandelt
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