Rueckkehr nach River's End
Gesicht ließen ihn wesentlich älter als achtundfünfzig wirken. Noah erinnerte sich daran, daß ein anderer Häftling ihm einmal gesagt hatte, daß Gefängnisjahre lange Jahre wären. Ein Jahr hinter Gittern entsprach sieben in Freiheit.
Tanners Augen waren scharf und von kaltem Blau. Er ließ sich Zeit, Noah zu mustern, nahm den Wärter kaum zur Kenntnis, der ihnen mitteilte, daß sie dreißig Minuten zur Verfügung hatten.
»Schön, daß Sie herkommen konnten, Mr. Brady.«
Etwas hat sich doch nicht verändert, dachte Noah. Sam Tanners Stimme klang so sanft, voll und kräftig wie in seinem letzten Film. Als die Tür zufiel und das Schloss hinter seinem Rücken einrastete, setzte Noah sich.
»Wie haben Sie meine Privatadresse herausgefunden, Mr. Tanner?«
Der Schatten eines Lächelns umspielte Sams Lippen. »Ich habe immer noch Beziehungen. Wie geht es Ihrem Vater?«
Noah sah ihm gerade in die Augen und ignorierte den Schock, der durch seine Eingeweide fuhr. »Ich kann nicht behaupten, daß er Sie grüßen lässt .«
Sam entblößte seine Zähne zu einem flüchtigen Lächeln. »Ein aufrechter Cop, unser Frank Brady. Ich sehe ihn und Ja m ie... gelegentlich. Meine ehemalige Schwägerin ist immer noch eine ansehnliche Frau. Ich frage mich, wie nahe sie Ihrem Vater steht.«
»Haben Sie mich herbestellt, um mir mit Spekulationen über das Privatleben meines Vaters auf die Nerven zu gehen, Tanner?«
Das Lächeln blitzte kurz wieder auf, schmal und listig. »In letzter Zeit gab es wenig Gelegenheit zu gepflegter Konversation. Haben Sie Kippen dabei?«
Noah zog eine Augenbraue hoch. »Tut mir leid. Ich rauche nicht.«
»Verdammtes Kalifornien.« Mit seiner freien Hand griff Sam in seinen Overall und entfernte sorgfältig den Klebestreifen, mit dem er eine einzelne selbstgedrehte Zigarette und ein hölzernes Streichholz an seiner Brust befestigt hatte. »Gefängnisse zu raucherfreien Zonen zu erklären! Wie sind sie nur auf diesen Mist verfallen?«
Er entzündete das Streichholz mit seinem Daumennagel und sog an der Zigarette. »Früher hatte ich die Mittel für eine Stange pro Tag. Ein paar Schachteln Zigaretten sind eine sichere Währung im Knast. Jetzt bin ich froh, wenn ich eine Schachtel pro Monat bekomme.«
»Ist schon hart, wie man heutzutage mit Mördern umspringt.«
Die harten blauen Augen glitzerten nur - Noah war sich nicht sicher, ob amüsiert oder verächtlich. »Geht es Ihnen um Schuld und Sühne, Brady, oder um die wahre Geschichte?«
»Eins gehört zum anderen.«
»Tatsächlich?« Sam stieß eine Wolke übelriechenden Qualms aus. »Ich hatte lange Zeit, um darüber nachzudenken. Wissen Sie, ich kann mich nicht mehr an den Geschmack eines guten Scotch oder den Duft einer schönen Frau erinnern. Was Sex angeht, da kann man sich arrangieren. Es gibt hier viele, die sich bücken, falls einem der Sinn danach steht. Außerdem hat man immer noch seine zwei Hände. Aber manchmal werde ich mitten in der Nacht wach und sehne mich nach dem Duft einer Frau.«
Er zuckte mit einer Schulter. »Dafür gibt es keinen Ersatz. Ich lese viel, um die Zeit totzuschlagen. Früher habe ich mich an Romane gehalten, mir eine Rolle ausgesucht und mir vorgestellt, sie zu spielen, wenn ich wieder frei bin. Ich war für mein Leben gern Schauspieler. Es hat lange gedauert, bis ich akzeptieren konnte, daß dieser Teil meines Lebens ebenfalls vorbei ist.«
Noah neigte den Kopf. »Tatsächlich? Und was für eine Rolle spielen Sie jetzt, Mr. Tanner?«
Abrupt beugte Sam sich nach vorn, und zum ersten Mal zeigte sich in seinen Augen heißes, echtes Leben. »Das hier ist alles, was ich habe. Sie glauben, weil Sie hier hereinkommen und mit einem Häftling sprechen, verstehen Sie, wie das ist? Sie können jederzeit aufstehen und gehen. Deshalb verstehen Sie gar nichts.«
»Nichts hält mich davon ab, noch in dieser Minute aufzustehen und zu gehen«, erklärte Noah ruhig. »Was wollen Sie?«
»Ich will, daß Sie meine Geschichte erzählen, sie aufschreiben. Beschreiben, was damals passiert ist, was heute ist. Warum zwei Menschen, die alles besaßen, alles verlieren musste n.«
»Und diese Geschichte werden Sie mir erzählen?«
»Ja. Ich werde Ihnen alles erzählen, was ich weiß.« Sam lehnte sich zurück und nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette. »Den Rest müssen Sie herausfinden.«
»Warum? Warum ich und warum jetzt?«
»Warum Sie?« Sam ließ den glimmenden Stummel auf den Boden fallen und trat ihn
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