Rückkehr nach St. Elwine
Sie gehört doch nicht etwa zu diesen antiautoritären Hippiemüttern, oder? Nun dann wird mir so einiges klar, armer Junge."
"Wie du willst." Er setzte in einer coolen Geste seine Sonnenbrille auf und rauschte davon.
Das breite Grinsen jedoch, das stets anschließend nach solchen Wortgefechten auf seinem ausgesprochen hübschen Gesicht zu finden war, sah Elizabeth meistens nicht mehr. Dafür hatte Doris Ross oder so manch anderer seine helle Freude daran gehabt, wenn Josh grüßend und fröhlich winkend an ihnen vorbei gefahren war.
Inzwischen hatte Liz eine volle Arbeitswoche hinter sich gebracht. Sie hatte mehrere Wunden genäht, eine Gallenblase entfernt und ein ramponiertes Nasenbein gerichtet. Hinzu waren die hier üblichen Sonnenbrände, allergischen Ekzeme und Verdauungsstörungen gekommen. Sie hatte zu tun gehabt, hatte jedoch nicht ständig unter Zeitdruck arbeiten müssen. Diese Tatsache stellte sich als eine neue, sehr angenehme Erfahrung, heraus. Die chirurgische Abteilung war nicht sehr groß. Dazu gehörte noch die angegliederte Notaufnahme. Vier Ärzte und zehn Schwestern bildeten das Team. Sie hatten alle Elizabeths Autorität respektiert, obwohl sie erst gerade mal dreißig Jahre alt war. Doch sie konnte sich denken, dass Dr. Jefferson den Mitarbeitern seinen Standpunkt unmissverständlich klar gemacht hatte.
Er selbst ließ ihr ziemlich freie Hand, obgleich er oft lautlos aus dem Nichts aufzutauchen schien. Nicht selten stand er plötzlich hinter ihr und schaute ihr über die Schulter. Aber das war schließlich sein gutes Recht. Liz ignorierte ihn dann stets so gut es ging und konzentrierte sich ganz auf ihre Arbeit. Ihre Handgriffe waren sicher und ihre Vorgehensweise routiniert. Liz brauchte nicht lange, um festzustellen, dass das Krankenhaus erstaunlich gut ausgerüstet war. Von der Stationsschwester erfuhr sie den Grund hierfür. Regelmäßige, großzügige Spenden besserten den lächerlich kleinen Etat auf. Sie brauchte gar nicht erst nach dem Namen der edlen Spender zu fragen. Tanner und Co, fügte Schwester Green sofort lächelnd hinzu.
"Wie könnte es auch anders sein", murmelte Elizabeth vor sich hin.
Wie dumm, überhaupt danach zu fragen. Mr. Charming persönlich- wow. Welch eine Gnade war es doch für sie, hier, in diesem ehrwürdigen Haus zu arbeiten - Halleluja.
Liz hoffte von ganzem Herzen, dass sie nicht eines Tages den Boden des Krankenhauses würde küssen müssen.
3. Kapitel
„ Wann sind wir denn endlich da, Mutti?“
Der zehnjährige Kevin Usher schaute gelangweilt aus dem Fenster.
Seine Mutter lächelte. Sie liebte es, wenn er das deutsche Wort Mutti gebrauchte. Jedes Mal, wenn der Junge es mit seinem amerikanischen Akzent aussprach, wurde ihr richtig warm ums Herz. Das gab dem Ganzen so einen lustigen Klang. Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte sie sich dann stets in die Vergangenheit zurückversetzt, in ein Land, dass es nicht mehr gab und in das sie nicht mehr zurück gehen konnte. Sie war damals im Zorn gegangen und hatte damit ihre Familie sehr verletzt. Doch nun war es zu spät, zu bereuen. Viel zu spät. Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und lief an ihrer Wange entlang. Verstohlen wischte Floriane sie fort.
Kevin schnaufte bereits erneut gelangweilt. Er kramte im Handschuhfach herum.
„ Suchst du was, Schatz?“
„ Mir ist warm.“ Und dann, nach einer kurzen Pause fuhr er fort: “Was zu trinken.“
„ Du hast die letzte Flasche bereits vor einer Stunde gelehrt. Ich hab dir gleich gesagt, teils dir ein bisschen ein, weil ich nicht genau wusste, wo ich wieder einkaufen kann. Im Übrigen hast du mir nicht einen einzigen Schluck abgegeben.“
Wie immer, wenn Kevin sich schuldig fühlte, wurde er bockig.
„ Wer hat denn in dem blöden kleinen Laden nicht mehr Flaschen eingepackt?“
„ Kevin, ich muss mit dem Geld, das wir noch haben, genau haushalten. Wie oft muss ich dir das eigentlich noch erklären. Es wächst nämlich leider nicht auf Bäumen und wartet brav darauf, nur abgepflückt zu werden.“
„ Blöder Spruch“, nörgelte der Junge, während er an seinem Fingernagel herumknabberte.
„ Hör auf zu knabbern!“
„ Ich hab Durst. Wenn nichts zu trinken da ist, muss ich wenigstens knabbern.“
Floriane seufzte und hoffte, dass sie bald einen Ort erreichten. Wenn der Junge sich erst in diese Phase hineinsteigerte, würde er unausstehlich werden. Darauf hatte sie heute nun absolut keine Lust mehr.
Plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher