Rücksichtslos
Juni heiraten würden. Das wussten sie zwar schon seit einigen Wochen, aber sie wollten es Philipps Tante persönlich mitteilen.
„ Das ist ja wunderbar! Ich freue mich so für euch! Wisst ihr schon, in welcher Kirche ihr heiraten wollt?“
Philipp und Katharina warfen sich einen flüchtigen Blick zu, der Tante Rosalie nicht verborgen blieb.
„ Nun ja“ , begann Philipp zögerlich. „Wir werden nur standesamtlich heiraten.“
Er nahm Katharinas Hand und drückte sie . Tante Rosalies Stirn legte sich für einen Moment in Falten. Sie sah die zwei zunächst verwirrt an. Dann ordnete sie nachdenklich ihre dauergewellten dunkelgrauen Haare. Im nächsten Moment lachte sie über das ganze Gesicht und tätschelte die übereinanderliegenden Hände der Verlobten.
„ Ist doch egal“, meinte sie. „Heutzutage gehört das ja nicht mehr unbedingt dazu. Es wird auf jeden Fall ein rauschendes Fest geben . “
Sie winkte den Ober herbei und bestellte eine Flasche Champagner. Kurz darauf wurde der Korken an ihrem Tisch mit einem Plopp entfernt und der Inhalt perlend und schäumend in drei Gläser eingeschenkt. Tante Rosalie kicherte und wirkte mit einem Mal zehn Jahre jünger. Vergangenes Jahr hatte sie ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag gefeiert. Sie war zwölf Jahre älter als ihr Bruder, Philipps verstorbener Vater. Nach dem Unfalltod von Philipps Eltern hatten die beiden sich gegenseitig Kraft gegeben.
„ Auf euch!“, prostete Tante Rosalie.
Die Gläser klirrten dezent aneinander. Katharina nahm einen Schluck und genoss die prickelnde, kühle Flüssigkeit in ihrem Mund, die kleinen Kohlensäurebläschen, die sowohl Gaumen als auch Mundschleimhaut kitzelten. Als nächstes beugte sie sich spontan zu Rosalie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, woraufhin sich deren Gesicht ein wenig rötete. Ihre Augen glänzten verdächtig feucht. Um seiner Tante Zeit zu geben, sich zu beruhigen, nahm Philipp die Dessertkarte und bestellte Mousse au Chocolat für alle.
Während sie die Nachspeise und den Champagner genossen, planten sie beschwingt die bevorstehende Hochzeit.
Montag 05.12. 201 1
Verängstigt lag Kira auf ihrem Bett und beobachtete, wie Irene Kowatz eine Nadel in ihre Vene bohrte.
„ Ich werde dir jetzt etwas Blut abnehmen. Wir wollen doch sicher sein, dass deinem Kind und dir nichts fehlt. Dann beantwortest du mir noch einige Fragen.“
Während sie sprach, deutete sie auf ein Blatt, das auf dem Tisch lag.
„ Was haben Sie mit mir vor?“
„ Nichts Schlimmes. Auf jeden Fall bist du hier vor deinem Freund in Sicherheit.“
„ Soll das heißen, dass ich das Zimmer verlassen kann?“, fragte Kira zaghaft.
„ Nein . “
Dienstag 6.12. 201 1
Als Katharina am Dienstagmorgen, eine Stunde später als gewöhnlich, das Haus verließ, um zur Kriminaldirektion zu gehen, dämmerte es gerade. Kalter Nieselregen wehte ihr entgegen, und sie schlang unwillkürlich die Arme um ihren schlanken Körper. Sofort zog sie den Reißverschluss ihrer Jacke ganz nach oben um jede Lücke zu schließen, durch die Wind eindringen könnte. Anschließ end spannte sie den Regenschirm auf und marschierte los. Seit sie mit Philipp zusammenwohnte, konnte sie den Weg zu ihrer Arbeitsstelle bei der Frankfurter Kripo zu Fuß zurücklegen. Mittler weile arbeitete sie seit fast acht Jahren bei der Kriminalpolizei und hatte, gemeinsam mit ihrem Partner Thomas Lauter, schon in mehreren Mordfällen ermittelt.
So ein Sauwetter. Typisch Dezember. Wie soll te man da in Vorweihnachtsstimmung kommen? Als sie missgelaunt um die nächste Ecke bog, wehte ihr der Wind so heftig entgegen, dass sie den Schirm fester umfassen musste, um ihn nicht zu verlieren. Endlich am Ziel angekommen, waren ihre Hände steif gefroren. Sie schloss den Regenschirm und suchte rasch ihr Büro auf, das sie mit Thomas teilte. Dort angekommen stellte sie den nassen Schirm in einen Ständer und zog ihre dunkelbraune Steppjacke aus. Ihr Partner saß bereits an seinem Schreibtisch, auf dem eine Tasse mit dampfendem Kaffee stand, und grinste sie an.
„ Guten Morgen, Thomas. Super, dass ich heute etwas später kommen konnte. Kaffee wäre jetzt nicht schlecht.“ Ihr sehnsüchtiger Blick blieb auf der Tasse kleben, während sie sich die eiskalten Hände rieb.
„ Soll ich dir einen holen?“
„ Das wäre klasse.“
Thomas stand auf und verließ das Büro. Katharina blickte dem großen , dunkelhaarigen Mann hinterher, während sie sich über die ebenfalls kalten
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