Ruegen Ranen Rachedurst
„Respekt!“
„ Danke!“, sagte Benecke. „Eigentlich würde ich jetzt am liebsten …“
„ Jemand wie Sie sollte auf jeder größeren Polizeistation sein!“, fuhr Susanne Hawer fort. „Dann hätten wir es ganz bestimmt einfacher! Aber wenn ich daran denke, wie lange es manchmal dauert, bis irgendwelche Ergebnisse zurückkommen, die wir zu den Labors des Landeskriminalamtes geschickt haben. Und dabei könnte man das Ergebnis eines DNA-Tests heute problemlos von einem Tag zum anderen haben!“
„ Ja, die Kollegen sind natürlich ständig überlastet“, nahm Benecke das Landeskriminalamt in Schutz, dessen Mitarbeiter tatsächlich, wie er wusste, mit Anfragen überhäuft wurden.
„ Umso mehr können Sie sich glücklich schätzen, dass Dr. Benecke bereit ist, in diesem Fall einen sachkundigen Blick auf den Tatort zu werfen“, ergriff George nun wieder das Wort. „Kommissar Jensen wird begeistert sein.“
Susanne Hawer nickte. „Ich bin´s auch“, gestand sie. „Kommen Sie, ich bringe Sie zum eigentlichen Tatort.“
„ Tatort oder Fundort der Leiche?“, hakte Benecke nach.
Susanne Hawer lächelte. „Genau das ist ein Punkt, zu dem Sie uns vielleicht mehr sagen können. Sie haben übrigens Glück!“
„ Wieso?“
„ Die Leiche wurde noch nicht abtransportiert, und so schnell wird das auch nicht geschehen.“
Benecke runzelte die Stirn. „Und wieso nicht?“
„ Ganz einfach: Es hat einen schweren Unfall auf dem Zubringer nach Stralsund gegeben. Irgendein Lastwagenfahrer ist am Steuer eingeschlafen, und den Rest wollen Sie sich sicherlich gar nicht genauer vorstellen. Mindestens zwei Tote. Kam vor einer Viertelstunde über Funk. Tja, und unser Gerichtsmediziner samt Leichenwagen steckt jetzt in dem kilometerlangen Stau, der sich da gebildet hat.“
„ Na ja, das hat für Herrn Benecke den Vorteil, dass er mehr Zeit für seine Untersuchungen hat“, schaltete sich George erneut ein. Er sah Susanne Hawer einen Augenblick lang an und setzte dann noch halblaut hinzu: „Sie und Ihre Kollegen müssen Glück gehabt haben, die Brücke noch vor dem Unglücksfahrer passiert zu haben!“
„ Allerdings! Dat stimmt!“, bestätigte die Polizistin impulsiv, die sich zwar gegenüber diesen beiden Auswärtigen sichtlich um eine hochdeutsche Aussprache bemühte, aber nicht verhindern konnte, dass die plattdeutsche Dialektfärbung immer mal wieder deutlich zum Vorschein kam.
Nach einem längeren Fußmarsch durch den Wald erreichten sie die Ziegensteine – auch Siegsteine genannt. Es handelte sich hier um eine von vier megalithischen Grabanlagen, gelegen am Küstenweg zwischen Lancken-Granitz und Groß Stresow. Diesen Hünengräbern begegnete man sehr häufig auf der Insel Rügen. Die Ziegensteine lagen jedoch etwas abseits in einem Waldgebiet.
Susanne Hawer hatte es sich nicht nehmen lassen, die beiden Männer zu begleiten. Wohl schon deswegen, weil sie damit einen Grund hatte, der wenig Erfolg versprechenden Suche nach dem Kopf für einige Zeit den Rücken zu kehren. Wenig Erfolg versprechend war diese Suche deswegen, weil man, wie die Polizistin erläuterte, schon beinahe jedes infrage kommende Versteck in der nächsten Umgebung des Leichenfundorts untersucht hatte. Aber wenn der Kopf nicht hier war, dann konnte er nahezu überall sein. Die Suche danach würde einer Sisyphus-Arbeit gleichen und konnte sich über Tage hinziehen.
Kriminalhauptkommissar Ulf Jensen aus Stralsund leitete die Untersuchung. George hatte ihn bereits kennengelernt und eingehend befragt. Daher wunderte sich Jensen nun, dass der rührige Reporter erneut hier auftauchte. Als Jensen Benecke sah, legte sich die Stirn des wikingerblonden Enddreißigers in tiefe Furchen. Die Augenbrauen, die im Gegensatz zu seiner Haarfarbe auffallend dunkel waren und in der Mitte zusammenwuchsen, bildeten nun eine geschlängelte, sehr charakteristische Linie. Bei ihm war Polizistin Anja Salomon, mit der Georg Schmitz bereits bei seinem ersten Aufenthalt am Leichenfundort Bekanntschaft gemacht hatte. Die schlanke Beamtin mit der modischen Brille trug ihr Haar sehr kurz geschnitten. Sie war etwas kleiner als Susanne Hawer, teilte mit dieser zwar nicht die Frisur, wohl aber die Haarfarbe und den Hang zum Mecklenburger Akzent.
Ulf Jensen hingegen sprach astreines „Fernseh-Deutsch“, was ihn in den Augen der meisten Rüganer wahrscheinlich zum Auswärtigen machte.
„ Ja, Sie kommen natürlich wie gerufen“, sagte Jensen an Benecke gewandt, und
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