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Rügensommer

Rügensommer

Titel: Rügensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ein körperliches Problem so stark ist, dass es behandelt werden muss. Meist hat das mit ihren Essstörungen zu tun, aber natürlich auch mit den Schmerzen.« Er hing seinen Gedanken nach. »Micky – sie heißt Michaela, aber sie wird nur Micky genannt – hat sich in der Wohngruppe nicht wohlgefühlt. Sie hat mich bekniet, zusammen in unserem Elternhaus zu wohnen. Aber was hätte ich denn dann für einen Arbeitsweg gehabt? Jeden Tag von Altefähr ganz hoch zum Nationalparkamt, das wäre eine Tortur, und das wollte sie auch nicht, denn ich hätte mit dem Auto fahren müssen. Ich sollte mir eine andere Stelle suchen, in Stralsund vielleicht. Als ob das so einfach wäre!«
    Deike griff zaghaft nach seiner Hand.
    »Die vier Jahre waren die Hölle. Beinahe jeden Tag bin ich zu ihr gefahren. Immer wieder musste ich sie ins Krankenhaus bringen. Manchmal hat sie Dinge getan, sie hat Reinigungsmittel getrunken, um echte Symptome zu bekommen. Sie hat alles gemacht, damit ich mich nur noch mehr um sie kümmere und ein schlechtes Gewissen habe. Vor ein paar Monaten hatte ich endlich eine Idee. Ich hatte gehört, dass die andere Haushälfte, deine Wohnung, frei wird. Das erschien mir wie ein Wink des Himmels. Ich wollte, dass sie hier einzieht. Dannhätte ich mein eigenes Leben nicht ganz aufgeben müssen, wäre aber für sie da und hätte sie unter Kontrolle. Ich dachte, dass sich ihr Zustand vielleicht bessern würde, wenn sie aus der Wohngruppe herauskäme und in meiner Nähe wäre.«
    »Und dann bin ich eingezogen.« Deike konnte sich seine Enttäuschung vorstellen. Endlich hatte er einen guten Plan, und dann machte sie ihn zunichte.
    »Ja. Ich hatte schon mit meinem Chef gesprochen und geklärt, dass ich teilweise von zu Hause arbeite. Home-Office, wie man so schön sagt. Dummerweise hatte ich Micky auch schon von meiner Idee erzählt. Sie war begeistert!«
    »Du machst mir ein ganz schlechtes Gewissen. Hätte ich auch nur geahnt, wie dringend du die zweite Haushälfte brauchst, wäre ich doch woanders hingezogen. Das wäre überhaupt kein Problem gewesen.«
    Er sah sie sanft von der Seite an. »Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Immerhin hätte ich dich wahrscheinlich nie kennengelernt, wenn du nicht hier eingezogen wärst. Das hätte mir auch nicht gefallen.«
    »Du hättest es doch gar nicht gewusst«, neckte sie.
    Er wurde wieder ernst. »Mir blieb nichts anderes übrig, als Micky hier einziehen zu lassen. Ich habe mir eingeredet, das sei ich ihr schuldig, und es könnte irgendwie funktionieren. Hat es aber nicht. In der Wohngruppe gibt es Therapeuten, die den Bewohnern helfen, Strukturen zu schaffen und Strategien zu entwickeln, um den Alltag zu bewältigen und ihre Störungen in den Griff zu bekommen. Micky hat ihre bei mir ausgelebt. Sie war furchtbar lärmempfindlich, hat andererseits in ihrem Zimmer eine Musik aufgedreht, die kein Mensch ertragen kann.« Ihm fiel etwas ein. »Davon durftest du dich selbst überzeugen.«
    Sie nickte und streichelte seine Hand.
    »Die Dinge mussten eine bestimmte Ordnung haben. War das nicht der Fall, ist sie durchgedreht. Sie hat geschrien, mit dem Kopf gegen die Wand oder auf den Tisch geschlagen, bis ich die Ordnung wiederhergestellt hatte.«
    »Darum das Theater mit den Parkplätzen und dem gemähten Rasen?«
    »Ganz genau. Verstehst du, ich stand total unter Strom, als du hier eingezogen bist, weil ich es selbst nicht mehr ausgehalten habe mit Micky. Außerdem war ich sauer auf dich, weil du mir die Wohnung weggeschnappt hast. Als deine Schwester kam, musste Micky in die Klinik, weil sie so extrem abgenommen hatte. Tja, und nachdem Natty abgereist war und wir dieses geniale Wochenende zusammen hatten, kam Micky wieder zurück.«
    »Wenn du mir nur etwas gesagt hättest. Ich hätte doch Verständnis gehabt, meinst du nicht?«
    »Ich weiß ja auch nicht, ich war wie vernagelt. Ich habe mir die ganze Zeit eingeredet, du würdest die Flucht ergreifen, wenn du das alles erfährst. Außerdem wollte ich es dir auch nicht zumuten, das mit mir durchzumachen. Eins ist nämlich klar: Ich stehe zu Micky. Sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Wenn wir uns weiter sehen wollen, musst du sie kennenlernen.«
    »Ich würde sie gerne kennenlernen.«
    »Wirklich?« Seine Augen glänzten feucht, er küsste sie auf die Nasenspitze. »O Gott, ich hatte so gehofft, dass du das sagst.« Seine Stimme war rau und brüchig.
    Sie saßen noch lange eng umschlungen auf dem Sofa und

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