Ruf der Daemmerung
Zaun und lockte die Tiere mit Brot. Zu ihrer Begeisterung kamen sie tatsächlich heran.
»Sie sind zahm, Vio!«, jubelte Shawna. »Ich hab das ja gleich gesagt! Und nachher fahre ich zu Dr. Simmons und hole mir das Lesegerät für Mikrochips. Vielleicht sind sie ja doch gekennzeichnet - und dann gucken Bill und Paddy in die Röhre!«
Viola interessierte sich mehr für die gespannten Blicke, die die Kelpies auf den See richteten. Während Shawna die »Pferde« streichelte, schaute Viola angestrengt in Richtung des Wassers, über dem sich noch Nebelschwaden hielten. Täuschte sie sich oder trat da ein Pferd aus dem Dunst?
»Was hat er denn jetzt auf einmal?« Shawna blickte verwundert auf den grauen Hengst, der plötzlich alarmiert die Ohren aufstellte, scharrte und wieherte. Für Viola klang es wie eine Warnung.
Und dann verschwand auch der Schemen des Pferdes am See.
Violas ungutes Gefühl verstärkte sich.
»Was habt ihr vor?« Sie formulierte den Gedanken und versuchte, ihn an Ahi zu senden, aber die Verbindung war nach wie vor gekappt.
»Jetzt regen sie sich wieder auf ... «, wunderte sich Shawna, aber für Viola erklärte sich das Verhalten der Kelpies anders. Sie schienen verärgert zu sein. Und ihre Wut richtete sich auf Ahi. Er hatte irgendetwas verhindert ... Viola beschloss, dass Shawna hier wegmusste. So schnell wie möglich.
»Jetzt komm, Shawna!«, rief sie. »Wenn Patrick aufwacht und Hunger hat, geht er womöglich ins Haus, und dann müssen wir mit Paddy Malone und den Schrecklichen Zwei frühstücken. Oder er wandert hoch zum Lovely View und wir verpassen ihn. Die Pferde kannst du auch hinterher noch anschauen.«
Shawna sah das ein und kurz darauf hockten sie in Patricks Wohnwagen und packten ihren Korb aus. Patrick kochte einen starken Kaffee dazu und die drei hatten wieder mal Spaß. Auch Guinness hatte sich eingefunden und zog die Ich-bin-ein-verhungernder-Hund-Show ab. Im Haus hatte man ihn wohl nicht gefüttert, sondern einfach vor die Tür geschickt.
»Mit Bill und Co. ist vor Mittag nicht zu rechnen«, meinte auch Patrick. »Als ich nach Hause kam, waren die noch am Feiern - ich frag mich bloß, was sie mit dem Baby gemacht haben. Das konnten sie ja kaum mit Whiskey abfüllen ...«
Die Frage klärte sich gleich, als die drei nach dem Frühstück zu einem Spaziergang mit Guinness aufbrachen. Patrick und Viola verdrehten die Augen, als Shawna das vorschlug. Schließlich lag die Route wohl fest ... Aber andererseits gab es auch kaum etwas anderes, was man hier am Sonntagmorgen unternehmen konnte - außer vielleicht einer Kanutour. Viola wollte jedoch auf keinen Fall auf den See. Seit sie bei jenem Sturm fast ertrunken war, jagte das Wasser ihr Angst ein.
Guinness freute sich, als die Freunde den Wohnwagen hinter sich schlossen - und begrüßte gleich darauf Violas Vater, der seinen Sohn im Kinderwagen vor sich herschob. Richtung See, Kevin sah gern beim Entenfüttern zu.
»Ich musste da mal raus!«, erklärte Violas Dad etwas verlegen. »Die vier Kerle schnarchen das ganze Haus zusammen! Keine Ahnung, wie lange sie gestern gefeiert haben, ich bin um elf mit Kevin ins Bett gegangen.« Er zwinkerte. »Mein Gälisch ist nämlich, ehrlich gesagt, auch nicht das Beste. Ich hab von der Unterhaltung nur die Hälfte verstanden. Ainné ist noch geblieben, aber sie war nicht betrunken. Jetzt ist sie reiten ...«
»Reiten?«, fragte Shawna verblüfft. »So früh morgens?«
»So früh ist es nun auch nicht mehr, es ist Viertel nach elf«, bemerkte Patrick.
»Und sie wollte wohl ihre Stute noch mal reiten - morgen geht sie weg. Sie tauscht sie gegen ein Pferd von diesem Paddy ...« Alan klang gleichgültig, entfesselte bei Shawna allerdings einen Sturm.
»Sie macht was? Sie tauscht Gracie ein? Sie ist ... sie ist ... « Shawna nahm sich im letzten Moment zusammen. Ihre Meinung über Ainné McNamara war nun wirklich nicht für Alans Ohren bestimmt. »Kann man sie da nicht noch umstimmen? Oh, Mann, Gracie ist so ein wundervolles Pferd ...«
Shawna lamentierte pausenlos, während sie am Ufer entlang in Richtung Corral schlenderten. Aber auch Violas Nervosität stieg, je näher sie den Kelpies kamen. Ainné musste zur Koppel, um Gracie zu holen. Würden sich stattdessen die Kelpies als Reitpferde anbieten? Aber sie konnten Ainné unmöglich täuschen! Woher sollten Sattel und Zaumzeuge bei den Wildlingen kommen? Viola wäre am liebsten gerannt. Es fiel ihr schwer, ihren Schritt Alans langsamem
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