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Ruf der Daemmerung

Titel: Ruf der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riana O Donnell
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»Hauptsache, er hört damit auf! Bevor mein Daddy was mitkriegt oder irgendwer sonst. Check gerade deine Mails und dann bringe ich dich noch ein Stück. Sag einfach, du hast ein Buch für mich im Stall vergessen. Ich brauche einen Grund, um bei dem Wetter rauszugehen.«
    »Ich kann's ihm auch allein sagen«, meinte Shawna abgelenkt. Sie hatte tatsächlich eine Mail von Patrick erhalten und beantwortete sie jetzt, wobei ein verklärtes Lächeln über ihr Gesicht tanzte wie ihre Finger über die Tastatur.
    Viola erwog diese Möglichkeit, entschied sich dann aber dagegen. Shawna allein mit Ahi im Wohnwagen - Harfenklang und der Geruch nach Pferd, der für Ahi sicher etwas Heimeliges hatte ... In Viola regte sich schon bei dem Gedanken daran Eifersucht. Stattdessen nahm sie lieber selbst die erneute Himmelsdusche auf sich.
    Ahis Musik hielt die Mädchen dann schadlos für den Weg durch Regen und Schlamm. Die Klänge, die er der Spielzeugharfe entlockte, hatten etwas Überirdisches, sie trugen weiter, als sie eigentlich sollten, und sie sprachen von Sehnsucht und Liebe. Ahi beschwor Harmonien - Viola meinte, genau das herauszuhören, was ihn mit ihr verband und glücklich machte -, aber die Harfe sang auch von Verlust und Verzicht.
    Shawna lauschte fasziniert. »Das muss eine CD sein!«, meinte sie dann.
    Viola warf derweil einen Blick in den Wohnwagen. Ausnahmsweise hatte Ahi ein Licht entzündet. Nur eine Kerze, aber es reichte, um sein ganz in die Musik versunkenes Gesicht zu erkennen, die umflorten, traurigen Augen und flüsternde Lippen, die sich versagten zu singen. Das Kerzenlicht warf Schatten auf seine fremdartigen Züge, aber auch von Ahis Körper selbst schien wieder dieses sanfte, fahle Licht auszugehen, das Viola manchmal spürte, wenn er sie in den Armen hielt. Aber jetzt teilte er es mit niemandem. Das einsame Kelpie empfing die Melodien des Sees, aber es konnte nicht daran teilhaben.
    Viola hätte weinen mögen. Aber stattdessen klopfte sie energisch an die Tür des Wohnwagens. »Ali, mach auf! Bist du von allen guten Geistern verlassen?«
    Sie musste laut sein, sie musste ihn aus seiner Versunkenheit reißen, bevor Shawna den Ausdruck auf seinem Gesicht sah.
    Tatsächlich verstummte die Harfe und wenig später öffnete Ahi die Tür. Noch etwas verträumt und verwirrt, aber doch ein Wesen, das als Alistair durchgehen konnte.
    »Vio, Shawna ...« Er lächelte, aber gleich darauf wich sein Lächeln der Besorgnis. »Ist etwas passiert? Hat man ... sie gefunden?«
    Irgendwann in dieser Nacht würde der See die Körper der Menschen freigeben, deren Lebensenergie den Kelpies heute als Nahrung diente.
    Bloß nicht hier!, dachte Viola. Nicht auszudenken, dass wieder Polizei und Wasserwacht den Campingplatz durchstreiften. Der bewohnte Wohnwagen könnte auffallen. Und hoffentlich hatte Shawna Ahis Frage nicht gehört oder würde sie zumindest nicht richtig interpretieren, wenn morgen wirklich herauskam, dass ihre Reitgäste ertrunken waren.
    »Nichts ist passiert!«, beschied Viola ihn nervös. »Und ich habe das ... Kabel für den CD-Spieler ...« - sie betonte die Worte überdeutlich - »auch noch nicht gefunden. Aber du hast ihn ja trotzdem zum Laufen gebracht ...« Sie warf einen vielsagenden Blick auf die Harfe und schüttelte dabei leicht den Kopf.
    Aber Shawna stellte zum Glück keine Fragen. Anscheinend war sie noch zu erfüllt von ihrer Korrespondenz mit Patrick und sie hatte ja auch einen schweren Tag gehabt. Jedenfalls informierte sie Ali nur, dass man seine Musik auf dem halben Campingplatz hörte, und erklärte dann, sie müsste jetzt gehen. »Ich bin sowieso schon zu spät, meine Mom mag es nicht, wenn ich im Dunkeln und im Regen mit dem Mofa unterwegs bin. Wir sehen uns dann morgen in der Schule!« Sie winkte Ahi.
    Viola war hin und her gerissen. Zu gern wäre sie noch bei Ahi geblieben und hätte ihn getröstet oder auch einfach seine Trauer geteilt. Sie spürte das drängende Verlangen, sich an ihn zu schmiegen, seine Seele an sich zu ziehen, um sie den Kelpies und ihrem beschwörenden Gesang zu entwinden. Aber wenn sie nicht bald zurückkam, würde Ainné Fragen stellen. Und auch ihr Vater konnte sie vom Laden aus kommen sehen und sich Gedanken über die Richtung machen. Es war besser, noch ein bisschen Schlammtreten mit Shawna zu betreiben und dann von woanders zurück zum Haus zu laufen.
    Also küsste sie Ahi nur leicht auf die Wange und versuchte, all ihr Verständnis und ihre Liebe in diesen

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