Ruf der Daemmerung
gegen den Neuen entkräftet: Ali mochte ja etwas verweichlicht sein, aber schwul war er nicht. Die Mädchen der Schule diskutierten inzwischen ausführlich die Frage, was Viola ihnen allen voraushatte, und Hank ärgerte sich schwarz über den Rüffel des Trainers und eine empfindliche Strafe. Er musste während zwei Trainingseinheiten aussetzen und verlor den Wettstreit mit Mike um den Rang des Mannschaftskapitäns.
Als schließlich die Mannschaftsaufstellung bekannt gegeben wurde, steigerte sich seine Enttäuschung noch weiter. Während Ahi die wichtigste Stürmerposition des Full-Forward einnahm, postierte der Trainer Hank ganz hinten als Corner-Back.
»Geht schließlich nicht, dass du die Gegner genauso zusammenschlägst wie hier den Neuen«, brummelte der Lehrer, als Hank wild protestierte. »Diesmal wird nicht geprügelt, diesmal handeln wir strategisch!«
Zur Begeisterung des Trainers teilte Ahi diese Ansicht und nahm Anweisungen problemlos entgegen - auch wenn er eher von Harmonien als Strategien sprach. Der Trainer hätte ihn am liebsten gleich zum Mannschaftskapitän ernannt, aber er sah natürlich ein, dass ein derart unbeliebter Junge keine Chancen hatte, sich durchzusetzen.
»Ach, das wird sich schon bessern, wenn dein Ali erst mal ein paar Meisterschaftstore schießt«, beruhigte Shawna die besorgte Viola, der Hanks offene Gewaltbereitschaft Angst machte. »Bis jetzt ist es ja nur Training, aber wenn die Kerls mal gewinnen, vergessen sie alles bis auf den Pokal. Howard wird Ali natürlich bis an sein Lebensende böse sein, aber das ist nicht zu ändern ...« Howard war der Junge, dessen Platz in der Mannschaft Ahi übernommen hatte. Er saß jetzt auf der Reservebank und schmollte. »Hast du deinen Teil des Bio-Referats endlich fertig? Ach nein, sag bloß nicht, du bist wieder nicht dazu gekommen!«
Viola musste genau das gestehen. Sie hatte gerade noch versucht, in der Mittagspause ein paar Informationen zusammenzusuchen, aber in der Schulbibliothek war es mühsam. Mittels Internet wäre es schneller gegangen ...
»Was soll ich machen, bei mir zu Hause herrscht die Hölle!«, verteidigte sie sich und schlang heißhungrig ein paar Bissen Käsesandwich herunter. »Die blöde Internetverbindung ist alle drei Minuten gestört, und wenn es gerade mal nicht regnet und kein Wind herrscht und keine atmosphärischen Störungen bestehen oder was weiß ich, krallt mich Ainné! Lach nicht Shawna, die Frau macht mich fertig! In der Schwangerschaft kam sie mir vor ... na ja, ein bisschen wie ein übellauniger Wal, der irgendwo rumhing und von da aus die Stimmung verpestete. Aber die Flucht war doch relativ einfach. Jetzt dagegen - die Tante ist hyperaktiv!«
Tatsächlich hatte Ainné die Strapazen der Geburt schnell überwunden und auch der Schlafentzug durch den pausenlos brüllenden Kevin schien ihr nichts auszumachen. Wieder zu Hause, hatte sie zunächst damit begonnen, das Haus »für Kevin herzurichten«. Viola sollte ihr gefälligst dabei helfen. Schließlich war es ja ihre Schuld, dass das Kind jetzt kein eigenes Zimmer hatte. So verbrachte die eher ungeschickte Viola Stunden mit dem Anbringen von Kindersicherungen an allen möglichen Schränken und Schubladen, verhedderte sich in den Schnüren von Mobiles und verschmierte das Glas beim Aufbringen von Fensterbildern. Ainné entfernte derweil sämtlichen Nippes - selbst auf dem Kaminbord, den Kevin wahrscheinlich erst mit sieben oder acht Jahren erreichen würde!
Dabei entsorgte sie eine ziemlich kitschige Zierharfe, ein kleines Instrument, auf dem man gerade so die Tonleiter spielen konnte. Viola rettete es für Ahi, zu dem sie endlich floh.
Sie fand ihn auf dem Bett in seinem Wohnwagen, wo er der Melodie des Regens vor dem Fenster lauschte. Nach dem Hurlingtraining und dem Weg von Lovely View bis zum Campingplatz wirkte er etwas blass.
Viola schmiegte sich neben ihn und genoss die wohlige Müdigkeit, die ihren Ärger über Ainné vertrieb, als sie Ahi Kraft gab. Am liebsten wäre sie gleich eingeschlafen ... Auch so eine Sache, die sie langsam nervös machte. Am Anfang hatte sie es auf den Stress durch all die Veränderungen und den nächtlichen Radau im Kinderzimmer geschoben. Aber inzwischen konnte sie nicht mehr leugnen, dass ihr die Beziehung zu Ahi Energie raubte. Sie liebte ihn und nach wie vor beflügelten sie seine sanften Zärtlichkeiten und der Tanz ihrer Seelen. Aber bacha für zwei aufzubringen, war schwierig. Viola hatte dauernd Hunger
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