Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Titel: Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delacroix Claire
Vom Netzwerk:
später noch an sie erinnern könnte. Die Ältere steckte den Finger in die zerpulverte Masse und rieb sie prüfend zwischen den Fingerspitzen, ob sie auch fein genug war. Schließlich nickte sie zufrieden, tat noch etwas Tierfett in eine Schüssel und mengte alles mit den Händen gut durch.
    „Lege deine Kleider ab!“, befahl sie Sophie dann in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, und als sie aufsah, glomm in ihren Augen ein sonderbares Leuchten. „Jetzt werde ich dich lehren zu fliegen.“
    Sophie zögerte zunächst, doch als Melusine nun selbst die Kleider abstreifte, folgte sie ihrem Beispiel, und der süße Rauch, welcher ihr in die Nase drang, ließ all ihre Scheu verfliegen. Melusine löste ihr den Zopf und breitete ihr mit einer Geste, die nahezu liebevoll wirkte, das lose Haar über den Rücken. Dann reichte sie ihr die Salbenschale, als biete sie eine Opfergabe dar.
    „Reibe dir die Haut damit ein“, flüsterte sie, die Augen leuchtend von einer beklemmenden Helle. „Und möge die Glücksgöttin dich leiten.“
    Zwar hielt Sophie noch einen Augenblick inne, aber dann steckte sie ihre Finger in die warme Mixtur und rieb sich, wie von Melusine geheißen, etwas davon über Bauch und Brüste sowie danach über Arme und Schenkel. Kaum hatte die Tinktur ihre Haut berührt, spürte Sophie, wie ihr überall siedend heiß wurde, und vor ihren Augen überzog sich ihr Körper mit einem feurigen Rot. Ein Kribbeln überlief sie, und als sie sich vorbeugte, um ihre Beine einzureiben, dröhnten ihr schier die Ohren.
    „Die Fußsohlen auch“, befahl Melusine, wobei ihre Stimme von ganz weit her zu kommen schien. Benommen hob Sophie ein Bein und bückte sich, um die Salbe aufzutragen. Urplötzlich kippte der Boden unter ihr weg; ihr war, als taumele sie hilflos vorwärts, als tue sich der finstere Erdboden auf, um sie mit Haut und Haaren zu verschlingen. Dann riss er mit einem Mal auseinander und offenbarte den Blick auf den nächtlichen Sternenhimmel.

11. KAPITEL
    Sophie spürte den Winterwind prickelnd auf ihrer Haut und lächelte bei dem Gefühl. Die Arme weit ausgebreitet, den Rücken gewölbt, ergötzte sie sich an der klaren Sicht, die ihr vergönnt war. Wie ein Traum kam ihr der Flug der Melusine vor, jedoch weitaus lebendiger, und es war ihr ein Rätsel, wie das wohl möglich sei, dass die Fantasie ihr diesen herrlichen Streich spielte. Tief unter sich sah sie die Kronen der Bäume, die Hütte ein kleiner Fleck inmitten der weißen, schneebedeckten Lichtung, und voller Entzücken lachte sie auf, während sie sich mühelos in der Luft drehte und wendete.
    Als sie den Blick erneut abwärtsrichtete, bemerkte sie einen feinen Faden, der im Licht aufblitzte. Wie Quecksilber verlief er von ihrem Nabel direkt hinunter zum Rauchloch im Hüttendach. Noch höher schwang sie sich auf, doch das Band hielt sie nicht fest und spannte sich auch nicht straff, sondern spulte sich wie von Zauberhand weiter ab. Sie wagte nicht, es zu berühren, ja, spürte nicht einmal, dass es von ihrem Bauch ausging, doch dass der Faden da war, beruhigte sie ungemein, sodass sie sich wieder leichten Herzens dem Sternenhimmel zuwenden konnte.
    Plötzlich dachte sie an Hugues, und der Wind rauschte in ihren Ohren mit solch erschreckendem Brausen, dass sie sich eng zusammenrollte. Die Arme schützend über der nackten Brust verschränkt, schwebte sie fröstelnd in der Kälte – und fand sich schlagartig in einer Kammer wieder, die voller Menschen war.
    So beängstigend abrupt war dieser Übergang, dass Sophie verwirrt blinzelte und sich verwundert fragte, was so ein eigenartiger Traum wohl bezwecken sollte. Wahrscheinlich, so nahm sie an, war es tatsächlich so, dass die Toten ihr halfen beim zweiten Gesicht, denn all dies kam ihr so vor, als wäre es Wirklichkeit. Um ein verhängtes Bett drängten sich Frauen, die Gesichter derart voller Sorgenfalten, dass sie Sophie gar nicht wahrnahmen. Neugierig schlich sie sich näher heran.
    Auf der anderen Seite der Kammer stand ein Mann, und als er plötzlich aufsah, blieb Sophie das Herz stehen, denn es war Hugues, der sie geradewegs anschaute. Für einen kurzen Moment verdüsterte sich seine Stirn, doch dann schüttelte er den Kopf und wandte sein Augenmerk wieder dem Lager zu. Was hat dich zu ihm geführt?, überlegte Sophie. Dein eigenes Wollen vielleicht? Oder besteht da zwischen uns noch eine ungelöste Frage?
    Ehe Sophie aber noch weiter nachgrübeln konnte, erscholl der Schmerzensschrei

Weitere Kostenlose Bücher